EU

Schulz fordert Klärung von Orban zu Todesstrafe

Martin Schulz gestikuliert während einer Rede vor einem blauen Hintergrund.
Der sozialdemokratische Fraktionsvize Jörg Leichtfried: "Das ist in Europa nicht akzeptabel".

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat nach eigenen Worten eine Klärung der Äußerungen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbans zur Todesstrafe verlangt. Er habe im Büro von Orban um ein Telefongespräch in der Sache gebeten, sagte Schulz am Mittwoch in Straßburg.

Der sozialdemokratische Fraktionsvize Jörg Leichtfried (SPÖ) sprach Orbans Äußerungen am Mittwoch im EU-Parlament an. Wenn Orban überlege, die Todesstrafe einzuführen, wäre dies nicht nur "komplett europarechtswidrig, es wäre barbarisch", sagte Leichtfried.

Der SPÖ-Europaabgeordnete forderte die Präsidenten der EU-Kommission, des Rates und des Europaparlaments auf, Orbans Äußerungen nachzugehen und gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen. "Das ist in Europa nicht akzeptabel", sagte Leichtfried.

Orban spricht sich für Todesstrafe aus

Die jüngsten Äußerungen des ungarischen Premiers zur möglichen Wiedereinführung der Todesstrafe haben in Ungarn eine heftige Debatte ausgelöst. Während sich die Vertreter von Orbans Partei Fidesz und der rechtsradikale Jobbik offen für die Idee aussprachen, kritisierte die linke Opposition die Aussagen des Regierungschefs.

Der Regierungschef hatte am gestrigen Dienstag im Zusammenhang mit einem kürzlichen Mord an einer 21-jährigen Trafikantin gemeint, dass man "die Frage der Todesstrafe auf der Tagesordnung halten" müsse. Vor einigen Jahren habe man noch gedacht, die Verschärfung der Strafbestimmungen, etwa die "tatsächliche" lebenslängliche Haft, sei eine gute Lösung für die Probleme. Doch die abschreckende Wirkung dieser Maßnahmen sei offenbar "nicht ausreichend" gewesen, betonte er.

Die linke Opposition zeigte sich durchwegs empört von den Aussagen. Statt die Todesstrafe wiedereinzuführen, sollte man sich lieber um die Verbrechensprävention kümmern, sagte Laszlo Szakacs, ein Abgeordneter der Sozialisten (MSZP). Die Demokratische Koalition von Ex-Premier Ferenc Gyurcsany und die linke Kleinpartei Együtt warfen Orban vor, er sei mit den Aussagen "mehr Jobbik als die Jobbik" geworden und habe der rechtsradikalen Partei eine "Geste" erweisen wollen.

Volksabstimmung

Jobbik-Chef Gabor Vona äußerte sich positiv. Er würde bei einer Volksabstimmung über die Wiedereinführung der Todesstrafe mit Ja stimmen, bekannte der rechtsradikale Parteichef. Allerdings meine Orban die Idee nicht wirklich ernst, sondern versuche, "auf der Popularitätswelle zu schwimmen", vermutete er.

Fidesz-Vertreter äußerten sich vorsichtig zustimmend zu den Aussagen ihres Vorsitzenden. Fraktionschef Antal Rogan sagte, die Todesstrafe könne sogar auf EU-Ebene thematisiert werden, "wenn die öffentliche Meinung eines EU-Mitgliedsstaates das so will". Auch Fidesz-Vizechef Lajos Kosa meinte, es lohne sich, eine Debatte über die Todesstrafe zu führen, selbst wenn Ungarn heute bei der EU sei. Er selbst sei allerdings "auf der Seite des Lebens".

Ungarn hatte die Todesstrafe 1990 abgeschafft und sich auch durch internationale Vereinbarungen verpflichtet, sie nicht wieder einzuführen. Seitdem war die Debatte darüber nach besonders schockierenden Verbrechen jedoch immer wieder neu aufgeflammt. Auch Orban hatte sich bereits 1998, während seiner ersten Amtszeit als Regierungschef (1998-2002), positiv zu einer "Diskussion" über die Todesstrafe geäußert. Im Mai 2002, nach einem schweren Raubmord mit acht Toten, hatte er sogar gemeint, Ungarn müsste sich die Wiedereinführung der Todesstrafe "ernsthaft überlegen".

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