EU-Parlament wählt neuen Präsidenten
Ein wichtiger Tag in Straßburg: Heute findet die konstituierende Sitzung des neu gewählten EU-Parlaments statt, ebenso die Wahl von Präsident und Vizepräsidenten. Als aussichtsreichster Kandidat an der Spitze des Parlaments gilt Amtsinhaber Martin Schulz, der sich um eine zweite Amtszeit bewirbt. Er kann nicht nur auf die Stimmen der Sozialdemokraten zählen, sondern auch auf die der konservativen Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) - mit 221 Abgeordneten die größte Gruppe im Europaparlament. Deren Vorsitzender Manfred Weber (CSU) hat die Fraktion aufgerufen, geschlossen für Schulz zu stimmen.
Unterstützung für Schulz haben auch die Liberalen angekündigt, die 67 Abgeordnete stellen. Sie werden nach Angaben eines Fraktionssprechers keinen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken. Gespalten sind hingegen die 50 Grünen-Abgeordneten, die eine Kandidatin nominiert haben - Ulrike Lunacek. Außerdem bewirbt sich der britische Konservative Sajjad Karim im Namen der euroskeptischen Fraktion "Europäische Konservative und Reformisten", die mit 70 Mitgliedern die drittgrößte Gruppe im Europaparlament ist.
In der EU-Volksvertretung wurde nicht ausgeschlossen, dass noch weitere Kandidaten hinzukommen. An einer Wiederwahl des Amtsinhabers Schulz zweifelte dennoch kaum jemand. Schließlich haben die beiden größten Gruppen, die EVP und die "Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten" (191 Abgeordnete) zusammen mit den Liberalen eine Art Bündnis geschlossen, mit dem sie dem gewachsenen Einfluss der europaskeptischen und europafeindlichen Parteien trotzen wollen.
Wiederholung möglich
Damit kann Schulz auf eine komfortable Mehrheit hoffen - selbst wenn bei der geheimen Abstimmung einige Parlamentarier von der Linie ihrer jeweiligen Fraktion abweichen sollten. Notwendig ist die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen, wobei Enthaltungen nicht mitgerechnet werden. Erreicht dies am Dienstagvormittag kein Bewerber im ersten Durchgang, soll die Wahl am Nachmittag wiederholt werden. Gewählt wird der Präsident für die Hälfte der Legislaturperiode - und wie bereits in der Vergangenheit wollen sich die Sozialisten und Christdemokraten das Amt für jeweils zweieinhalb Jahre teilen.
Wird Schulz wiedergewählt, wird er der erste Präsident, der das Europaparlament fünf Jahre in Folge leitet. Für den 58-jährigen Sozialdemokraten wäre eine klare Mehrheit eine Bestätigung seiner bisherigen Amtsführung. Selbst politische Gegner halten dem Deutschen zugute, dass das Parlament unter seiner Führung deutlich selbstbewusster geworden ist und die neue Macht, die ihm der Reformvertrag von Lissabon gewährt, voll ausgenutzt hat.
Trost für Schulz
Schulz war es auch, der als erster für Spitzenkandidaten der europäischen Parteien eintrat, die zugleich deren Kandidaten für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten sein sollten. Er selbst wurde von den Europäischen Sozialdemokraten ins Rennen geschickt und erhob während des Wahlkampfes Anspruch auf den Brüsseler Topposten.
Für Schulz ging die Rechnung freilich nicht auf, weil die EVP mit ihrem Spitzenkandidaten, dem ehemaligen Luxemburger Regierungschef Jean-Claude Juncker, die Wahl gewann. Mit seiner Forderung, als deutscher Kommissar zusammen mit Juncker an der Spitze der Brüsseler Kommission ein "Tandem" zu bilden, scheiterte Schulz wiederum am Widerstand der Unionsparteien, die diesen Posten für sich beanspruchen. Die Wiederwahl zum Präsidenten des Europaparlaments wäre für den ehrgeizigen Sozialdemokraten immerhin ein Trostpflaster.
Farage tanzt aus der Reihe
Am Montag wurde in Voraussicht auf die konstituierende Sitzung in Straßburg jedenfalls schon feierlich die EU-Fahne gehisst und die Europahymne angestimmt. Einer musste allerdings aus der Reihe tanzen: EU-Skeptiker Nigel Farage aus Großbritannien. Er drehte sich demonstrativ weg, als die Hymne begann, wie NEO-Parlamentarier Eugen Freund twitterte:
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