EU-Kommission warnt vor Branchenausnahmen
Vor der Abstimmung über das Mindestlohn-Gesetz am Donnerstag im Deutschen Bundestag hat die EU-Kommission vor Sonderregelungen für einzelne Berufsgruppen gewarnt. Die Mitgliedstaaten seien aufgerufen, eine Lohnuntergrenze für alle Branchen einzuführen, sagte Sozialkommissar Laszlo Andor der Zeitung Die Welt (Donnerstagsausgabe).
Dies sei "besonders wichtig, damit Menschen trotz Arbeit nicht in Armut geraten". Mit Blick auf Warnungen vor drohenden Arbeitsplatzverlusten fügte Andor hinzu: "Aktuelle Erfahrungen, beispielsweise aus Großbritannien, zeigen, dass sich Mindestlöhne nicht schädlich auf die Beschäftigung auswirken solange sich die Höhe der Mindesteinkommen nicht zu nah an den Durchschnittslöhnen bewegt." Festgesetzt werden sollten Mindestlöhne vorzugsweise in enger Abstimmung mit den Gewerkschaften und Arbeitgebervertretern.
Mindestlohn
Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), die der Welt vorlagen, werden im kommenden Jahr rund 4,5 Millionen Arbeitnehmer - ohne Praktikanten und Auszubildende - den gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro beziehen. Die praktische Anwendung der Lohnuntergrenze werde aber schwierig, warnte DIW-Forscher Karl Brenke, denn "das Problem der Kontrolle ist überhaupt nicht gelöst". So gibt es dem Institut zufolge etwa eine Million künftige Mindestlohn-Empfänger, die überhaupt keine Arbeitszeitregelung haben.
Auch Betriebsräte könnten nicht überall kontrollieren, ob das Einkommen von Geringverdienern möglicherweise auf dem Umweg unbezahlter Mehrarbeit gedrückt werde, sagte Brenke der Welt. Denn nur jeder dritte Geringverdiener arbeite in einem Unternehmen mit Betriebsrat, dieser falle somit "als natürliche Kontrollinstanz" weg.
Die Einführung des Mindestlohns sei alles in allem ein "Experiment mit ungewissem Ausgang", sagte Brenke in einem weiteren Interview der Saarbrücker Zeitung (Donnerstagsausgabe). Alles hänge davon ab, wie der Verbraucher auf damit verbundene Preiserhöhungen reagiere. "Je mehr die Kunden die höheren Preise akzeptieren, desto weniger wird es zu Arbeitsplatzverlusten kommen", sagte Brenke dem Blatt. Höhere Preise würden die Kaufkraft vor allem von Pensionisten und Arbeitslosen schmälern, weshalb der erhoffte Schub für die Binnenkonjunktur fraglich sei.
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