EU-Gipfel: Die Eckpunkte für einen Deal mit der Türkei

Der türkische Premierminister Ahmet Davutoglu verhandelte in Brüssel.
Balkanroute, Rückkehr zu Schengen, Nothilfe: Was auf dem EU-Gipfel noch beschlossen wurde.

Bis spät in die Nacht wurde in Brüssel verhandelt. Der vorläufige Fahrplan: In der Flüchtlingskrise soll bis Ende kommender Woche eine neue Vereinbarung mit der Türkei stehen. Nach einem Beschluss der europäischen Staats- und Regierungschefs beim EU-Türkei-Gipfel wird über folgende Punkte verhandelt:

  • Rückführung aller Migranten, die unerlaubt aus der Türkei auf die griechischen Inseln übersetzen. Die Kosten dafür trägt die EU.
  • Geordnete Aufnahme von syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge durch die EU-Staaten. Für jeden Syrer, der von den griechischen Inseln zurück in die Türkei gebracht wird, soll einer legal in die EU kommen können. Dieser Vorschlag stößt bei vielen Ländern allerdings auf heftigen Widerstand.
  • Beschleunigung des Verfahrens zur Aufhebung der Visumpflicht für türkische Staatsbürger, die in die EU reisen wollen. Ziel ist es, dass Türken spätestens von Ende Juni an kein Visum mehr für Reisen in EU-Länder brauchen.
  • Mehr Tempo bei der Auszahlung der drei Milliarden Euro, die die EU der Türkei bereits im November für die Versorgung von Flüchtlingen zugesagt hat. Die ersten Projekte sollen bis Ende März finanziert werden. Zudem soll die EU über zusätzliche Hilfsgelder entscheiden.
  • Start der Vorbereitungen für eine Ausweitung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.
  • Zusammenarbeit mit der Türkei, um die humanitären Bedingungen in Syrien zu verbessern. Ziel ist es, dass die lokale Bevölkerung und Flüchtlinge in einigermaßen sicheren Gebieten leben können.

Faymann: "Es ist ja kein Wohlfühlseminar"

Der EU-Gipfel hat nach Worten von Bundeskanzler Werner Faymann ein Ende des Durchwinkens bekräftigt. Die Balkanroute sei nun stillzulegen, sagte der Kanzler im Ö1-Morgenjournal. "Auch neue Routen sind unerwünscht", so Faymann. Faymann sieht den Gipfel nicht als gescheitert an, sondern für ihn gibt es "ein Bekenntnis zum Inhalt", der noch auszuverhandeln sei und beim nächsten Gipfel vorgelegt wird. In Hinblick auf die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte Faymann fest: "Es waren recht heftige Diskussionen, aber dazu ist man in der politischen Arbeit da. Es ist ja kein Wohlfühlseminar." Mit dem griechischen Premier Alexis Tsipras sei es genau so. Die einfachste Zeit sei jene des "Durchwinkens" von Flüchtlingen gewesen. Aber "wir sind nicht dazu da, es jemanden leicht zu machen, sondern um Ordnung zu schaffen."

EU-Gipfel: Die Eckpunkte für einen Deal mit der Türkei

GREECE-MACEDONIA-EUROPE-MIGRANTS
EU-Gipfel: Die Eckpunkte für einen Deal mit der Türkei

Refugees at the Greek-Macedonian border
EU-Gipfel: Die Eckpunkte für einen Deal mit der Türkei

Refugees at the Greek-Macedonian border
EU-Gipfel: Die Eckpunkte für einen Deal mit der Türkei

GREECE-MACEDONIA-EUROPE-MIGRANTS
EU-Gipfel: Die Eckpunkte für einen Deal mit der Türkei

GREECE-EUROPE-MIGRANTS-MACEDONIA
EU-Gipfel: Die Eckpunkte für einen Deal mit der Türkei

Refugees at the Greek-Macedonian border
EU-Gipfel: Die Eckpunkte für einen Deal mit der Türkei

Still thousands of refugees massing in Idomeni to
EU-Gipfel: Die Eckpunkte für einen Deal mit der Türkei

GREECE-MACEDONIA-EUROPE-MIGRANTS
EU-Gipfel: Die Eckpunkte für einen Deal mit der Türkei

GREECE-MACEDONIA-EUROPE-MIGRANTS

"Ohne dem klaren Aufschrei und dem Weckruf Österreichs wäre es nicht zu dieser Dichte an Besprechungen gekommen, und auch nicht zu der klaren Entscheidung, dass das Ende des Durchwinkens ein Ende der (Balkan-)Route bedeutet", sagte Faymann.

Weitere Entscheidungen

Der Vorschlag der Türkei zur Rücknahme aller neu ankommenden Flüchtlinge in Griechenland hat den EU-Gipfel überrascht. Dennoch entschieden Europas Staats- und Regierungschefs in der Nacht zum Dienstag auch eine Reihe weiterer Schritte in der Flüchtlingskrise mit Blick auf die Lage innerhalb der EU und vor allem in Griechenland:

Balkanroute

Über die Balkanroute kamen seit dem vergangenen Jahr von Griechenland aus hunderttausende Menschen, die meisten von ihnen hatten als Ziel Deutschland. "Der irreguläre Zustrom von Migranten entlang der Westbalkan-Route ist jetzt zu einem Ende gekommen", stellt die Gipfelerklärung fest, nachdem Länder entlang der Route ihre Grenzen weitgehend geschlossen haben.

Auf Druck der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestrichen wurde aber der Satz, dass die Route "nun geschlossen" ist. Denn er hätte aus deutscher Sicht die bisher kritisierten Alleingänge von Österreich und mehreren Balkan-Staaten bei Obergrenzen und Grenzschließungen akzeptiert.

Nothilfe für Griechenland

Wegen der weitgehenden Schließung der Balkanroute sitzen derzeit zehntausende Flüchtlinge in Griechenland fest, die EU-Kommission warnt vor einer "humanitären Krise". Die EU werde "in diesem schwierigen Moment an der Seite Griechenlands stehen und ihr Äußerstes tun", erklärte der Gipfel. Nötig sei "eine schnelle und wirksame Mobilisierung aller verfügbaren EU-Mittel und Ressourcen sowie Beiträge der Mitgliedstaaten."

Die Staats- und Regierungschefs unterstützten dabei den Plan der EU-Kommission für ein Nothilfe-Paket für betroffene Länder innerhalb der EU. Die EU-Kommission hatte vergangene Woche vorgeschlagen, 700 Millionen Euro bis zum Jahr 2018 zur Verfügung zu stellen. Rund 300 Millionen Euro für dieses Jahr sollen demnach vor allem Griechenland zugute kommen. Der Ministerrat soll den Nothilfe-Plan bis zum nächsten Gipfel in anderthalb Wochen beschließen.

Rückkehr zu Schengen und Grenzschützer für Griechenland

Die Staats- und Regierungschefs unterstützen als "Priorität" den Kommissionsplan, bis Jahresende wieder zu einem funktionierenden Schengenraum zurückzukehren. Athen soll deshalb weitere Unterstützung beim Schutz der Außengrenzen erhalten, einschließlich derer zu Mazedonien und Albanien.

Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex soll dafür bei den Mitgliedstaaten zusätzliche Grenzschützer anfordern. Die Polizeibehörde Europol soll Beamte entsenden, die in Registrierungszentren helfen, mögliche Jihadisten aufzuspüren, sowie beim Kampf gegen Menschenschmuggler helfen.

Umverteilung von Flüchtlingen

Die bereits im vergangenen Jahr beschlossene Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen auf alle EU-Länder soll "bedeutend beschleunigt" werden, "um die schwere Last zu verringern, die derzeit auf Griechenland liegt". EU-Mitgliedstaaten sollen "dringend mehr Plätze" für die Umverteilung bereitstellen. Verteilt sind bisher erst 872 der 160.000 Menschen - 338 aus Italien und 534 aus Griechenland.

Leitartikel: "Türkischer Basar: Wer ist da nicht EU-reif?"

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