Absolute Mehrheit für SPD bei Landtagswahl im Saarland

Anke Rehlinger freut sich über ein historisches Ergebnis
Erdrutschsieg für die Sozialdemokraten. Anke Rehlinger wird wohl neue Regierungschefin. CDU stürzt auf 28 Prozent ab.

Strahlend tritt Anke Rehlinger von der SPD vor die Parteifreunde, die sie vor lauter Beifall und Jubel erst gar nicht zu Wort kommen lassen. Dann aber: "Das Saarland hat Rot gewählt. Die Saar-SPD hat die Wahl gewonnen", ruft Rehlinger ihnen zu. "Und nach 23 Jahren sind wir wieder stärkste Kraft als Sozialdemokratie an der Saar." Die Genossen liegen sich in den Armen und rufen "Anke, Anke, Anke."

Bei der Landtagswahl im deutschen Saarland haben die Sozialdemokraten am Sonntag in einem Erdrutschsieg die absolute Mehrheit errungen. Dies geht aus dem am Wahlabend veröffentlichten vorläufigen amtlichen Ergebnis hervor. SPD-Chefin Anke Rehlinger wird damit neue Regierungschefin.

Konsequenzen

Ministerpräsident Tobias Hans, dessen CDU auf einen historischen Tiefststand stürzte, kündigte "persönliche Konsequenzen" an. Die Ampelparteien Grüne und FDP verpassten den Einzug in den Landtag. Hans sprach von einer "sehr bitteren Niederlage" für die CDU. "Natürlich werde ich persönliche Konsequenzen ziehen", sagte der CDU-Chef. Die genauen Abläufe würden in den Parteigremien beraten. Die populäre Wirtschaftsministerin hatte Ministerpräsident Hans in den Umfragen abgehängt. Laut Infratest dimap wollten 53 Prozent Rehlinger direkt zur Ministerpräsidentin wählen, den Amtsinhaber nur 26 Prozent. Das Saarland war jahrzehntelang eine SPD-Hochburg, stand aber in den vergangenen 22 Jahren unter CDU-Führung.

Die SPD wird im neuen Landtag 29 der 51 Mandate haben. Damit kann Rehlinger ohne Koalitionspartner regieren. Sie hatte am Wahlabend angekündigt, zu Wochenbeginn Sondierungsgespräche mit allen Parteien aufnehmen zu wollen. Bundeskanzler Olaf Scholz gratulierte seiner Parteifreundin Rehlinger via Twitter. "Die Saarländerinnen und Saarländer haben sich klar für einen Wechsel an der Spitze ihres Landes entschieden. Und ich bin sicher: Niemand wird ihn besser gestalten als Du", freute sich Scholz über den "überzeugenden Wahlsieg".

Absolute Mehrheit für SPD bei Landtagswahl im Saarland

Im deutschen Saarland dürfen die Sozialdemokraten feiern

Die SPD kam auf 43,5 Prozent der Stimmen, um 13 Prozentpunkte mehr als bei der Wahl 2017. Die CDU stürzte von 40,7 auf 28,5 Prozent ab. Von den kleinen Parteien schaffte nur die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) mit 5,7 Prozent den Einzug in den Landtag (2017: 6,2 Prozent). Die Ampelparteien Grüne und FDP legten zwar zu, scheiterten aber an der Fünf-Prozent-Hürde. Für die Grünen war es denkbar knapp. Sie kamen laut dem vorläufigen Ergebnis auf 4,995 Prozent der Stimmen, die FDP auf 4,8 Prozent. Vor fünf Jahren hatten sie 4,0 bzw. 3,3 Prozent erreicht. Ein Debakel setzte es für die Linke, die von 12,8 auf 2,6 Prozent abstürzte.

Historischer Wahlsieg

Es ist schon ein historischer Machtwechsel, der am Sonntag im Saarland passiert, denn mit dem Wahlsieg von Rehlinger ist die SPD erstmals seit fast einem Vierteljahrhundert wieder stärkste Kraft an der Saar geworden. Seit 1999 hatte die CDU den Ministerpräsidenten gestellt, die Groko gibt es im kleinsten deutschen Flächenland seit 2012.

Der Triumph der SPD hatte sich abgezeichnet. Bereits bei der Bundestagswahl vor rund einem halben Jahr waren die Sozialdemokraten zum ersten Mal seit 16 Jahren wieder als Wahlsieger vom Platz gegangen. Und in den Umfragen der letzten Monate hatten die SPD und Wirtschaftsministerin Rehlinger stabil und deutlich vor der CDU und Hans gelegen.

Der Sieg tut Rehlinger doppelt gut. Zum einen, weil sie es beim ersten Anlauf vor fünf Jahren gegen die damalige CDU-Amtsinhaberin Annegret Kramp-Karrenbauer nicht geschafft hatte. Zum anderen, weil sich ihre Arbeit über zehn Jahre als Ministerin in einer Großen Koalition jetzt ausgezahlt hat. "Ich sehe das auch als Bestätigung unserer guten Arbeit", sagt sie. "Die Saarländer kennen mich. Sie wissen, sie können sich auf mich verlassen", sagt die Rechtsanwältin.

Lange Gesichter

Klarer Verlierer ist Hans. Er war als Nachfolger von Kramp-Karrenbauer im März 2018 ins Amt gekommen, als diese nach Berlin wechselte. Seine erste richtige Wahl um das Amt hat der 44-Jährige mit 28,5 Prozent verloren - das schlechteste Ergebnis im Saarland seit 1955. "Wir haben eine herbe Niederlage erlitten bei dieser Wahl", sagt Hans enttäuscht. "Das ist natürlich auch eine Niederlage für mich persönlich." Er werde die Verantwortung dafür übernehmen und kündigte persönliche Konsequenzen an. Wie genau die aussehen, das werde am Montag besprochen.

Der Amtsbonus, auf den Regierungschefs in der Regel bauen können, zog bei Hans nicht. Er sieht sich in der Corona-Pandemie als Überbringer von schlechten Nachrichten abgestraft. "Offensichtlich wird der Frust, der mit Corona zusammenhängt, bei mir abgeladen und auch mit dem Amtsinhaber in Verbindung gebracht."

Andere warfen Hans dagegen vor, seine Meinungen vor der Wahl zu oft geändert zu haben. Seine smarte, moderne Art kam nicht überall an. Dann bremste ihn eine Corona-Infektion kurz vor der Wahl aus - und schließlich sickerte in Medienberichten durch, dass die Bundes-CDU angeblich auf Distanz zu Hans gehe. Was für ihn schmerzlich gewesen sein muss.

Lange Gesichter gab es auch bei den Linken, die nach 13 Jahren im Landtag den Wiedereinzug in den Landtag verpassten. "Das ist ein Schlag", räumt Spitzenkandidatin Barbara Spaniol ein. Eine Quittung für vieles, vor allem für lange interne Streitigkeiten. Aber auch der kürzliche Austritt des Linken-Politikers Oskar Lafontaine aus der Partei richtete Schaden an. Dass Wähler der Linken den Rücken kehrten, kam wiederum der SPD zugute, sind sich Experten sicher.

Von den übrigen Parteien schaffte es am Ende nur die AfD mit 5,7 Prozent der Stimmen in den Landtag. Grüne und FDP blieben nach einer abendlichen Zitterpartie erneut draußen. Die Liberalen gehören dem Landesparlament seit 2012 nicht mehr an, die Grünen seit 2017 nicht mehr.

Die Grünen im Saarland haben den Einzug in den Landtag nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis äußerst knapp verpasst. Wie eine Sprecherin der Landeswahlleiterin am Sonntag sagte, fehlten der Partei "sehr wenige Stimmen". Eine genaue Zahl nannte sie nicht. Die Grünen kamen dem Ergebnis zufolge auf 4,99502 Prozent der Stimmen - ganz knapp unter der Fünf-Prozent-Hürde. Nach Angaben der Grünen waren es am Ende 23 Stimmen zu wenig

Die Landeswahlleiterin verwies am Sonntagabend wegen des "knappen vorläufigen amtlichen Endergebnisses" darauf, dass beim endgültigen Ergebnis noch Abweichungen möglich seien. Dies betreffe die Zahl der Wahlberechtigten, der Wählerinnen und Wähler sowie der gültigen und ungültigen Stimmen, aber auch die Sitzverteilung im Landtag. Würden die Grünen den Einzug in den Landtag doch noch schaffen, würde dies aber aller Voraussicht nach nichts an der absoluten Mehrheit der SPD ändern. Geplant ist, dass der Landeswahlausschuss das endgültige Wahlergebnis am 6. April bekannt gibt.

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