Kerry: "Erwarten Russlands Mitwirkung"

Männer tragen einen verletzten Jungen durch die Trümmer eines zerstörten Gebäudes.
Der US-Außenminister in Genf – im nordsyrischen Aleppo toben schwere Kämpfe.

Wenn der US-Außenminister nach Genf reist, um dort über Syrien zu sprechen, der Adressat seiner Forderungen aber nicht zugegen ist, dann ist Feuer am Dach. John Kerry führte am Montag in Genf Gespräche über die Wiederbelebung des Friedensprozesses in Syrien sowie eine Erneuerung der an sich seit Februar geltenden, aber zuletzt zunehmend brüchigen Waffenruhe. Dabei traf er die Außenminister Saudi-Arabiens und Jordaniens sowie den UN-Vermittler Staffan de Mistura. Über allem geäußerten Optimismus Kerrys aber ("Wir kommen einer Einigung näher") stand dann doch eine ganz realpolitische Forderung an Russland: "Wir erwarten Russlands Mitwirkung." Konkret verlangen die USA, dass Moskau auf Damaskus Druck ausübt, die "täglich (...) in Gang gesetzte Tötungsmaschine" (Kerry) zu stoppen. Noch am Montag wollte Kerry mit Russlands Außenminister Lawrow telefonieren.

Konkreter Anlassfall dieser Eildiplomatie sind die eskalierenden Kämpfe um die nordsyrische Millionenstadt Aleppo. Unmittelbares Ziel Kerrys war es, ein "Regime der Ruhe" – also eine Feuerpause – für die Stadt zu erreichen. Am Freitag war ein solches Regime um die Hauptstadt Damaskus ausgerufen und am Montag zum zweiten mal verlängert worden.

Ineinander verkeilt

Seit 2012 tobt der Krieg in Aleppo. Die Stadt ist heute ein Abbild des syrischen Bürgerkrieges im Kleinformat – mit enormer strategischer wie symbolischer Bedeutung für alle Seiten. Die Stadt ist geteilt zwischen Armee und verschiedensten Rebellenverbänden von moderat bis extremistisch (Al Nusra); ein Stadtteil ist unter Kontrolle kurdischer Einheiten. Militärisch bedeutete das über Jahre: Stellungskrieg entlang einer völlig festgefahrenen Linie, Fassbomben, Luftangriffe. Zuletzt aber spitzte sich die Lage massiv zu: Weniger Fassbomben, dafür mehr und mehr Luftangriffe, Artilleriebeschuss und auch chemische Kampfstoffe sollen von allen Seiten eingesetzt worden sein. Die Bilanz: Mindestens 250 tote Zivilisten in nur zehn Tagen. Die humanitäre Lage ist katastrophal – Hilfsorganisationen haben sich zurückgezogen.

Beide Seiten haben sich über die Jahre in Aleppo ineinander verkeilt. Eine Einnahme durch die Rebellen käme einem Sieg gegen Assad im Nord-Westen Syriens gleich. Eine Rückeroberung durch die Armee hätte für Assads Regierung dagegen den Charakter eines Sieges über die Rebellion, die landesweit in der Defensive ist.

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