Europäischer Rettungsfonds: Griechenland zahlungsunfähig

Der größte Gläubiger des Krisenlandes sichert seine Milliarden-Ansprüche, verzichtet aber auf sofortige Rückzahlung.

Der europäische Rettungsfonds, der größte Gläubiger Griechenlands, hat das Land offiziell für zahlungsunfähig erklärt. Man behalte sich das Recht vor, 130,9 Milliarden Euro an Krediten sofort fällig zu stellen. Allerdings sei entschieden worden, von Athen "nicht die unmittelbare Rückzahlung von Krediten zu verlangen", teilte der EFSF am Freitag mit.

Ein Schritt, mit dem gerechnet worden war. Angesichts der horrenden Summen war eine Rückforderung des Geldes wenig aussichtsreich. Nachdem die Verhandlungen der Euro-Finanzminister vergangene Woche erflolglos verlaufen waren, war das laufende Kreditprogramm des EFSF in der Nacht zum Mittwoch ausgelaufen.

Insgesamt betragen die Staatsschulden Griechenlands 317 Milliarden Euro. So hoch liegt demnach auch der maximale Verlust bei einem Zahlungsausfall des Landes für die Gläubiger. Nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Freitag unter Berufung auf Daten von UBS, Ifo und Eurostat hätte Deutschland mit 87,6 Mrd. Euro dabei die Höchstlast zu tragen. Österreichs Maximalverlust würde sich demnach auf 9,3 Mrd. Euro belaufen.

9,3 Mrd. Maximalverlust für Österreich

Hinter Deutschland liegt laut FAZ Frankreich mit einem Maximalverlust von 67,0 Mrd. Euro, gefolgt von Italien (58,5 Mrd.), Spanien (40,0 Mrd.), Niederlande (19,0 Mrd.) Belgien (11,8 Mrd.), Österreich (9,3 Mrd.) Finnland (5,9 Mrd.), Portugal (4,4 Mrd.), Slowakei (2,9 Mrd.), Irland (2,6 Mrd.) und Slowenien (1,6 Mrd.).

Auf die Summe pro Bewohner eines Landes umgerechnet liegen jedoch die Niederlande mit 1.126 Euro voran, gefolgt von Österreich (1.088 Euro) und Deutschland (1.085 Euro).

Alexis Tsipras erneuerte vor dem entscheidenden Wochenende die Forderung nach einem 30-prozentigen Schuldenschnitt. Zudem verlangte der Linkspolitiker für den übrigen Schuldendienst eine "Gnadenfrist von 20 Jahren".

Unterdessen meldete das Magazin Focus, dass der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble Geld zurückfordern wolle, das eigentlich für das von der Pleite bedrohte Griechenland bestimmt war. Dabei handelt es sich um Zinsgewinne der Deutschen Bundesbank mit griechischen Staatsanleihen. Insgesamt gehe es um etwa eine Milliarde Euro, die nun zusätzlich dem deutschen Haushalt zugutekommen könne.

Das Geld sollte laut Focus auf einem Konto des Euro-Rettungsfonds ESM gesammelt und nach Athen überwiesen werden. Da Griechenland seine Verpflichtungen im Rahmen des zweiten Rettungspakets nicht erfüllt habe, sei das Geld zunächst auf dem Konto eingefroren worden. Mit dem Auslaufen des Programms am 1. Juli seien die griechischen Ansprüche verfallen.

Schäuble wolle daher den bisherigen deutschen Anteil an diesen Einlagen von 532 Mio. Euro zurückverlangen, hieß es weiter. Zudem habe er veranlasst, eine Überweisung von Zinsgewinnen aus Deutschland von 412 Mio. Euro an den ESM gar nicht erst vorzunehmen.

Laut Focus dürften auch weitere EU-Staaten auf diese Weise von den eigentlich für Griechenland vorgesehenen Mitteln profitieren. In Österreich erklärte das Finanzministerium am Mittwoch, dass sich das rechnerische Haftungsrisiko der Republik von 4,3 auf 3,9 Mrd. Euro reduziert habe. Ob auch Österreich Geld aus Zinsgewinnen und seinen Anteil an den ESM-Einlagen zurückverlangen wird, war am Freitag zunächst nicht bekannt.

Knappes Ergebnis bei Referendum erwartet

Eine Weichenstellung in der Causa Griechenland steht am Wochenende am Programm. Dann sollen die Griechen entscheiden, ob sie für oder gegen die Umsetzung der von der EU geforderten Sparauflagen sind. Das für Sonntag geplante Referendum dürfte einer Umfrage zufolge sehr knapp ausgehen. In der am Freitag veröffentlichten Befragung der Zeitung "Ethnos" erklärten 44,8 Prozent der Teilnehmer, mit Ja stimmen zu wollen. Ein Votum gegen die Sparauflagen planen 43,4 Prozent. 11,8 Prozent haben sich demnach noch nicht entschieden (siehe Reportage: Der Zorn der Griechen wächst, die Stimmung kippt).

Das Oberste Verwaltungsgericht gab Freitagabend grünes Licht für die Volksabstimmung. "Das Referendum findet statt", sagte Richter Nikolaos Sakellariou. Einige Kläger hatten den knappen Zeitraum zur Vorbereitung und eine unklare und zu komplexe Fragestellung moniert.

Von europäischer Seite wächst der Druck, mit "Ja" zu stimmen. Ein "Nein" wäre eine dramatische Verschlechterung für die Verhandlungsposition der Griechen, meinte zuletzt Kommissionspräsident Jean Claude Juncker. Auch der luxemburgische Premier Xavier Bettelhat mit drastischen Worten gewarnt. "Es geht um die Frage, ob die Union auseinanderbricht oder lieber zusammenarbeitet", sagte Bettel zum Auftakt des Luxemburgischen EU-Ratsvorsitzes am Freitag in Luxemburg. "Es geht um die Zukunft des Euro und um die Zukunft Europas und letztlich um die Position Griechenlands in Europa", sagte Bettel in einer Pressekonferenz mit Juncker. Auch gehe es um den gegenseitigen Respekt. Das Referendum sei keine Abstimmung für oder gegen den griechischen Premier Alexis Tsipras. Es sei "nicht ideal" wie das Referendum organisiert sei, doch werde die EU die Entscheidung und Griechen akzeptieren. Die Regierung Tsipras hat das Referendum zum Schicksalsfrage erhoben. Finanzminister Varoufakis hat angekündigt, bei einem "Nein" zurückzutreten.

Weiterführende Artikel

5. Juli: Die Griechen sollen in einem Referendum über das von den Geldgebern vorgelegte Spar- und Reformpaket abstimmen.

6. Juli: Frühestens am Tag nach der Volksabstimmung könnten Griechenlands Banken und die Börse in Athen wieder öffnen.

10. Juli: Griechische Staatspapiere mit kurzen Laufzeiten (T-Bills) in Höhe von 2 Mrd. Euro werden fällig und müssten durch neue abgelöst werden. Dieser Termin ist vor allem für das Urteil der Ratingagenturen wichtig.

13. Juli: Athen muss eine weitere Rate von knapp 500 Mio. Euro an den IWF zurückzahlen.

17. Juli: Weitere T-Bills in Höhe von einer Milliarde Euro werden fällig.

20. Juli: Athen muss insgesamt rund 3,5 Mrd. Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen. Sollte diese Zahlung ausfallen, dürfte es der EZB laut Experten kaum noch möglich sein, weiter ELA-Kredite an griechische Banken zu vergeben.

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