Die Taktikerin Merkel schadet der Demokratie

Eliten erfüllten den Traum einer traumatisierten Kriegsgeneration, Nationalpolitiker zerstören ihn jetzt.

Als die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) im Jahr 1951, nur sechs Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs gegründet wurde, ging es zunächst um ein Wirtschaftsprojekt – die Harmonisierung von französischer und deutscher Stahlindustrie. Doch es steckte ein hochpolitisches Ziel dahinter: Die Vergemeinschaftung der Grundstoffe, mit denen man Krieg führt. Also war schon die EGKS, ein Vorläufer der Europäischen Union, ein Friedensprojekt. Hätte der französische Außenminister Robert Schuman seinen Plan den Franzosen zur Abstimmung vorgelegt, der Resistance-Kämpfer hätte keine Mehrheit dafür bekommen. Die europäische Einigung, vor allem die deutsch-französische Zusammenarbeit, konnte nur als ein Projekt von Eliten in Schwung kommen. Jetzt muss daraus endlich das viel zitierte Europa der Bürger werden.

Das geht nicht mit Wahlbetrug. Der Christdemokrat Jean-Claude Juncker hat die Wahl gewonnen, das haben auch Sozialdemokraten wie Präsident Hollande oder Kanzler Faymann demokratisch anständig anerkannt. Nur Wahlverlierer wie der stets unentschlossene Brite Cameron können nicht damit leben, oder Angela Merkel, die den starken Europäer Juncker fürchtet. Primitive Machttaktik à la Merkel schadet der Einigung Europas.

Ein Blick auf europa.eu genügt zum Verständnis von Chancen und Herausforderungen. Da stellt die Union ihre Arbeitsweise vor, gibt aber auch Tipps zum Reisen, Handeln und zum Erreichen von Förderungen. Teenager werden gewarnt, bei der Fahrerlaubnis auf unterschiedliche Altersbestimmungen zu achten. Man findet Hinweise zur Verschreibung von Auslandsrezepten oder Anerkennung von Schulzeugnissen. Warum ist das im einigen Europa der Bürger nicht einheitlich geregelt? Warum gibt es noch immer so viele Hindernisse?

Es kommt auf die europäischen Bürger an

Andererseits zeigt europa.eu sehr schön, in wie vielen Bereichen sich die Bürger bereits auf europäische Rechte berufen können, bei Gesundheit, Ausbildung oder auch Behinderungen. Dafür braucht es halt Regeln, das ist ja gut, wenn es gemeinsame sind.

Deshalb müssen alle Staaten, gerade auch die Republik Österreich, ihren Staatsaufbau neu ordnen. Subsidiarität ist immer richtig: Was die untere Einheit machen kann, braucht die Höhere nicht zu verwalten. So wird die Verwaltung der Nationalstaaten automatisch reduziert, und die Bundesländer werden manches an die Bezirke oder Gemeinden abgeben. Das bedeutet Machtverlust. Aber wer das Europa der Bürger ernst nimmt, lässt diesen auch mehr Geld in der Tasche. Die Wachstumsraten der Wirtschaft nach dem Krieg werden wir nie wieder erreichen. Jetzt zählt Innovation. Aber vom Ziel der Lissabon-Strategie, ausgerufen im Jahr 2000, innerhalb von zehn Jahren zum dynamischsten Wirtschaftsraum zu werden, sind wir weit entfernt. Das können die Politiker alleine nicht schaffen, sondern nur Bürger, die von Machtpolitikern nicht betrogen werden.

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