Die eigenwillige Welt des Aristo-Clowns

Die eigenwillige Welt des Aristo-Clowns
Boris Johnson: Der zurückgetretene britischen Außenminister war für viele markige Sager bekannt

Die längste Zeit schien Boris Johnson förmlich darum zu betteln, von Theresa May entlassen zu werden. Im Mai hatte der britische Außenminister die Pläne seiner Regierungschefin für ein britisch-europäisches Zoll-Übereinkommen als „verrückt“ bezeichnet, und neulich formulierte er seine Haltung zu den Befürchtungen der Wirtschaft vor den Konsequenzen des Brexit mit den Worten „Fuck business!“

Doch selbst, als Johnson übers Wochenende die vom Regierungsgipfel erst am Freitag vereinbarte Verhandlungslinie als „Kacke“ bezeichnete, die „noch weiter poliert werden“ müsse, schaute die Premierministerin noch beharrlich weg. Am Ende rächte May sich gestern für all die Frechheiten, indem sie Johnsons intern kommunizierten Abgang verlautbarte, noch bevor dieser seine Rücktrittserklärung präsentieren konnte.

Die eigenwillige Welt des Aristo-Clowns

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May-Kontrahent

Doch was vor einem Jahr noch wie ein großer Paukenschlag zum lang erwarteten Putsch ausgesehen hätte, wirkt jetzt – vorläufig – eher wie ein Abstieg des ewigen Kronprinzen der britischen Konservativen. Zumindest in diesem Moment genießt Johnson nicht mehr die nötige Unterstützung seiner Kollegen, um May selbst herauszufordern.

Man ist versucht, an den Tag nach dem Brexit-Referendum vor kaum mehr als zwei Jahren zurückzudenken. In seinem ersten Statement an die versammelte Presse lieferte der von seiner üblichen Bonhomie (im Sinne von Launigkeit) verlassene Londoner Ex-Bürgermeister eine merkwürdig niedergeschlagene Siegerrede. Der Ausgang der Volksabstimmung bedeute nicht, „dass das Vereinigte Königreich nun weniger vereinigt oder weniger europäisch“ sei, beteuerte er in der Manier eines Mannes, der eine zerbrochene Vase wieder ganz zu reden versucht.

Nicht diplomatisch

Jener bizarre Auftritt inspirierte die sehr plausible Theorie, der alte Quertreiber habe die Kampagne zum EU-Austritt eigentlich gar nicht gewinnen, sondern sich damit nur eine Plattform zur Ablöse seines alten Schulfreundes David Cameron schaffen wollen. Als jener dann zurücktrat, zauderte ein überraschter Johnson und wurde von seinem Brexit-Gefährten Michael Gove usurpiert.

Theresa Mays taktisches Meisterstück, nach ihrem Gewinn des konservativen Machtkampfs den lauernden Rivalen mit der Verantwortung des Außenminister-Amts kaltzustellen, kam zu einem hohen Preis. Schließlich zeigte der von seinen Anhängern wegen seines Image des aristokratischen Clowns stets bei seinem Vornamen genannte „Boris“ auch im Foreign Office wenig Anstalten zur Diplomatie.

Der libyschen Stadt Sirte prophezeite er eine Zukunft als Ferienziel, „sobald die Leichen weggeräumt sind“, in einem Tempel der abstinenten Sikhs schwärmte er von höheren Whiskey-Exporten nach Indien nach dem Brexit, und die britische Reuters-Mitarbeiterin Nazanin Zaghari-Ratcliffe sitzt im Iran immer noch im Gefängnis, nachdem ein unvorbereiteter Johnson in einer parlamentarischen Fragestunde irrtümlich aussagte, die Britin habe dort Journalisten ausgebildet.

Ex-Journalist

Schon in seiner früheren Karriere als Journalist pflegte Johnson ein berüchtigt lockeres Verhältnis zum Faktischen. Als Europa-Korrespondent des Daily Telegraph erfand er an der Wende zu den Neunzigerjahren einige der hartnäckigsten Mythen über die Brüsseler Bürokratie, deren Nachhall später den Weg zum Brexit bereiten sollte.

Der „explosive Effekt“ seiner Artikel auf seine Partei, schrieb er rückblickend, habe in ihm ein „eigenartiges Machtgefühl“ ausgelöst. Der Grad der Explosion, die er nun mit seinem Rücktritt ausgelöst hat, ist einstweilen noch nicht abzusehen.

Robert Rotifer, London

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