In Nazi-Szene aus Scham über Homosexualität

Die Kapuze von Carsten S. saß am Dienstag wieder tief. Sein Gesicht soll nicht durch die Medien gehen, denn der 33-Jährige befindet sich im Zeugenschutzprogramm.
S. sagte am Dienstag vor dem Münchener Gericht aus. Der ehemalige NPD-Chef von Jena war bis 2001 in der rechten Szene aktiv. Dann stieg er aus. Er war stellvertretender Landesvorsitzender der Jungen Nationaldemokraten, Neonazi – und offenbar Komplize der rechtsradikalen Zelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU).
Carsten S. ist mitangeklagt, weil er eine Pistole vom Typ „Ceska“ für das mutmaßliche Mördertrio Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos besorgt hat. Die Waffe wurde bei neun der NSU-Morde verwendet. Weil er auch den Schalldämpfer dazu besorgt hat, muss S. gewusst haben, dass die Pistole für gezielte Morde benötigt wurde.
„Wie verrückt war ich?“
Carsten S. ist geständig. „Er fragt sich selbst: Wie verrückt muss ich gewesen sein?“, wird sein Anwalt Johannes Pausch in der Süddeutschen Zeitung zitiert. Der Sozialpädagoge hat bereits in den Ermittlungen voll ausgepackt. Bei früheren Aussagen hat er nicht nur Fakten und Ereignisse offengelegt, sondern auch seine Gefühlslage. „Seine Offenheit hat uns umgehauen“, verriet ein Ermittler.
Carsten S. muss sich wegen Beihilfe zum Mord verantworten. Er berichtete am Dienstag vor dem Oberlandesgericht München ausführlich, wie er auf der Suche nach Anschluss und Anerkennung – verunsichert durch seine damals noch geheim gehaltene Homosexualität – zur rechten Szene kam. Deren Mitglieder faszinierten ihn, man machte ihn zum Kontaktmann für die Terrorzelle Durch Beschaffungen für sie, wie die Pistole, hatte er das Gefühl, wichtig zu sein.
Seine Aussage war lange erwartet worden. Das Gericht musste sich auch noch am Dienstag stundenlang gedulden. Mehrmals wollte der Richter mit den Fragen anfangen. Mehrmals kamen Anträge dazwischen.
Die Verteidigung verlangte sogar die Einstellung des Verfahrens. Sie warf staatlichen Strafverfolgungsbehörden vor, voreingenommen zu sein. Diese hätten die Unschuldsvermutung der Hauptangeklagten Zschäpe bei Auftritten vor der Presse zu wenig hervorgehoben und sie als „Mitglied einer Mörderbande“ vorverurteilt.
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