Die Erinnerungslücken des Olaf Scholz

Die Erinnerungslücken  des Olaf Scholz
Der deutsche Kanzler bestreitet eine Einflussnahme im "Cum Ex"-Steuerskandal - und steht unter heftiger Kritik

"Pinocchio-Kanzler unter Druck"; "Scholz ist ein Serienlügner", "Was hat dieser Mann zu verbergen?", "Scholz, das perfekte Vergessen" – Ganz schön starker Tobak sind die Schlagzeilen von Focus über Stern bis zur Tagesschau, die den deutschen Kanzler Olaf Scholz am Freitag zu seinem zweiten Auftritt vor dem "Cum Ex"-Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgschaft begleiteten. Seit Helmut Kohl und der CDU-Spendenaffäre ist kein deutscher Kanzler mehr ähnlich deftig tituliert worden – und Kohl war damals schon nicht mehr im Amt. Scholz ist es erst seit nicht einmal einem Jahr. Und die Steuer-Affäre um die Hamburger Warburg-Bank fliegt ihm immer kräftiger um die Ohren.

"Kein Einfluss"

"Ich habe auf das Steuerverfahren Warburg keinen Einfluss genommen", sagte der frühere Hamburger Bürgermeister vor dem Ausschuss. Anderslautende Vorwürfe seien bei den Befragungen "durch nichts und niemanden gestützt" worden.

In der "Cum Ex"-Affäre geht es um die Erstattung von Steuern, die nie bezahlt worden waren. Und um die Frage, ob zwei SPD-Politiker und der damalige Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz Einfluss darauf genommen haben, dass die Hamburger Warburg-Bank 47 Millionen Euro Finanzforderung nicht zurückzahlen musste. Hauptkritikpunkt am als Zeuge geführten deutschen Kanzler: Dass er sich die längste Zeit an mehrere Gespräche mit den Gesellschaftern der Bank nicht erinnern konnte/mochte.

Die Erinnerungslücken  des Olaf Scholz

Die Warburg Bank hatte "Cum Ex“-Geschäfte im großen Stil gepflegt und offenbar Dutzende Millionen Kapitalertragssteuer zu Unrecht abgesahnt (Erklärung sh. rechts). Olaf Scholz hatte sich 2016 und 2017 in seiner Zeit als Erster Hamburger Bürgermeister mehrfach mit den Gesellschaftern der Bank, Christian Olearius und Max Warburg, getroffen. Nach den ersten Treffen im Rathaus hatte Scholz den Bankern laut Aussage von Olearius empfohlen, ein Schreiben an seinen späteren Nachfolger Peter Tschentscher zu schicken, in dem die Bank die Rückforderung von 47 Millionen Euro Kapitalertragssteuer als ungerechtfertigt darstellte.

Tschentscher hatte das Schreiben an die Finanzverwaltung weitergereicht, wo man sich kurze Zeit später entschloss, die Forderung "in die Verjährung laufen zu lassen". (Kurz vor Eintritt der tatsächlichen Verjährung forderte das Bundesfinanzministerium 43 Mio. zurück).

Ermittlungen noch offen

Gegen den früheren Hamburger Vizebürgermeister Alfons Pawelczyk (SPD) und den einflussreichen Hamburger Ex-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs wird ebenso wie gegen eine Finanzbeamtin ermittelt. Die Hamburger Staatsanwaltschaft entschied, keine Ermittlungen gegen Scholz aufzunehmen, jene in Köln behält sich Ermittlungen vor. Fast täglich gibt es neue Enthüllungen über gelöschte eMails und Kalendereinträge oder alte Protokolle, wonach sich Scholz früher sehr wohl an "belanglose" Treffen erinnerte.

Die Erinnerungslücken  des Olaf Scholz

CDU-Chef Merz: Kaum jemand glaubt Scholz

Die Opposition schießt sich auf Scholz ein: "In Deutschland gibt es kaum noch jemanden, der Olaf Scholz die vielen Gedächtnislücken abnimmt", sagte CDU-Chef Friedrich Merz.

Fakten:

"Cum Ex"-Geschäfte
Dabei  werden Aktienpakete mit und ohne (cum und ex) Dividendenanspruch rund um den Ausschüttungsstichtag hin und her geschoben. Das soll die Finanzbehörden verwirren.  Dann lassen sich die Akteure Kapitalertragssteuern erstatten, die nie gezahlt wurden

Warburg Bank
Das Hamburger Bankhaus soll die schmutzigen Steuergeschäfte im großen Stil betrieben haben

47 Millionen
Euro war die Forderung der Finanz an die Warburg Bank, die nach Treffen der Bank-Führung mit Olaf Scholz plötzlich "in die Verjährung" rutschten

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