Der G-20-Paria: Viele gegen Lawrow, aber nicht alle

Der G-20-Paria: Viele gegen Lawrow, aber nicht alle
Der Westen attackierte den russischen Außenminister beim Treffen in Indien. Viele Staaten aber standen neutral oder positiv zu Moskau

Außenminister-Gipfel. Wie verfahren die Lage in Sachen Ukraine ist, lässt sich bestens an einer Anekdote erzählen: Am Donnerstag trafen sich die Außenminister der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in Neu-

Delhi, und da hieß es kurz: Sergej Lawrow, Russlands Außenamtschef und seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine der Paria der G-20-Runde, habe mit seinem US-amerikanischen Kollegen Anthony Blinken über die Lage in der Ukraine gesprochen.

Das wäre, schlicht gesagt, eine kleine Sensation. Nur: Ob das tatsächlich so war, ist schwer nachzuprüfen. Die US-Seite sprach von einer zehnminütigen Unterredung, um die Blinken selbst gebeten hatte, die Russen hingegen dementierten. Von „Gespräch“ oder „Verhandlung“ könne keine Rede sein. Im Gegenteil: Lawrow sei sehr weit entfernt von Blinken gesessen, hieß es kurz danach in den russischen Medien, und man habe höchstens „im Vorbeigehen“ ein paar Takte gewechselt. Kurz danach wurde selbst das dementiert.

Die Szene illustriert nicht nur die schwierige Suche nach einer Gesprächsbasis, sondern auch, wie sehr sich Russlands Reputation im Laufe des vergangenen Jahres gewandelt hat. Im Herbst 2022 in Bali hatte Lawrow noch den Saal verlassen, als ihn seine westlichen Kollegen gemaßregelt hatten; diesmal hörte er sich Sätze wie „Beenden Sie diesen Krieg, beenden Sie die Verletzung der internationalen Ordnung“, den ihm die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock entgegenschleuderte, in aller Ruhe an. Danach warf er dem Westen vor, schlicht die Verantwortung für sein „wirtschaftliches Versagen auf Russland abzuwälzen.“

Das kann er, weil die Gastgebernation Indien ihm neutral bis positiv gewandt ist. Das Land ist Großkunde der russischen Rüstungsindustrie, hat die Ölimporte aus Russland hochgefahren und verurteilt den Krieg ebenso wenig wie Südafrika, Brasilien, Argentinien und Indonesien.

Kommentare