"Das größte Gesellschaftsprojekt in unerer Lebenszeit"

„De Standaard“ (Brüssel)
„Mindestens eine Generation wird mit den Nachwirkungen konfrontiert werden. Wie immer wird die Mittelschicht die Folgen zu tragen haben, durch höhere Steuern, reduzierte öffentliche Dienstleistungen, angetastete Pensionen oder einfach nur durch die Inflation. Wie genau wissen wir noch nicht, aber kostenlos wird es nicht. Dieser Moment muss genutzt werden, um die Ungleichheit bei den Steuerzahlern scharf anzugehen. Die EU kann ihren Nutzen unter Beweis stellen, indem sie Schlupflöcher schließt und verhindert, dass Mitgliedsstaaten ein gegenseitiges Steuerparadies für ein paar Glückliche bleiben. Jetzt, wo wir für unsere Gesundheit in einem Polizeistaat leben müssen, sollten sie auch gleich das Steuervirus ausrotten.“
„de Volkskrant“ (Amsterdam)
„In Krisenzeiten neigen die Bürger dazu, ihre politischen Anführer zu unterstützen. Während Trump täglich im Fernsehen als eine Art General erscheint, der gegen die Krankheit kämpft, ist sein demokratischer Rivale Joe Biden praktisch unsichtbar geworden, nachdem das öffentliche Leben und damit der Vorwahlkampf zum Stillstand gekommen ist. Im November ist die Pandemie möglicherweise abgeflacht oder sogar schon vorbei. Das gibt Donald Trump die Chance, die Rolle zu spielen, die er so gut beherrscht: die des Mannes, der alle positiven Entwicklungen auf seine eigenen Verdienste zurückführt und alle Misserfolge auf seine Gegner schiebt. Das hat sich nur allzu oft als wirksame Strategie erwiesen.“
„Gazeta Wyborcza“ (Warschau)
„Der Kampf gegen das Coronavirus liefert in Europa einen Vorwand zur Demontage demokratischer Mechanismen. Wenn die Pandemie vorüber ist, werden wir möglicherweise mit autokratischen Strukturen aufwachen. Dies geschieht gerade in Ungarn. Dort strebt die Regierung die Einführung eines Notstands an, der unbefristet gelten soll. Das würde Ministerpräsident Viktor Orban praktisch uneingeschränkte Macht geben. Er könnte dann per Dekret regieren, ohne Rücksicht auf das Parlament. Die Angst (vor der Corona-Epidemie) hat Europa gepackt. Aber es ist ein schmaler Grad zwischen angebrachten Maßnahmen und offenem Machtmissbrauch des Staats. Wenn Serbien ein Gesetz einführt, das Medien für Falschinformation bestraft, dann kann dies ein Mittel gegen Panikmache sein. Es kann aber auch zur Peitsche werden gegen Journalisten, mit denen der Präsident noch ein Hühnchen zu rupfen hat. Für Politiker, die von autoritärer Herrschaft träumen, ist jetzt ein passender Moment gekommen. Diejenigen, denen die Demokratie am Herzen liegt, sollten wachsam sein.“
„Hospodarske noviny“ (Prag)
„Diese Versuchung ist offensichtlich viel zu groß, als dass ihr Viktor Orban widerstehen könnte. Der ungarische Ministerpräsident will, dass das Parlament nicht nur den wegen der Coronavirus-Pandemie eingeführten Notstand verlängert, sondern ihm de facto bis Jahresende alle Macht übergibt. Notmaßnahmen werden auch in anderen mitteleuropäischen Staaten getroffen, in denen Viktor Orban seit einem Jahrzehnt Vorbild und Inspiration für all diejenigen ist, für welche die liberale Demokratie nur ein Mittel zur Machterlangung ist.
Auch in Tschechien machen sich Befürchtungen breit, weil unklar ist, wann und wie das Land wieder zum Normalzustand zurückkehren wird. Man braucht sich nur die vielen Diskussionen über die jüngsten Aussagen des Leiters des zentralen Krisenstabs, Roman Prymula, vergegenwärtigen. Er hatte gesagt, dass es offenbar notwendig sein wird, die Grenzen für zwei Jahre zu schließen. Der Lauf der Welt wird sich wegen des Coronavirus zweifellos irgendwie verändern. Dennoch sollten die Kernmerkmale der liberalen Demokratie und die damit verbundenen Werte unantastbar bleiben.“
„The Guardian“ (London)
„Die Öffentlichkeit brauchte dringend eine klare politische Führung, da die Entwicklung der Coronavirus-Epidemie in diesem Land weiterhin der des besonders stark heimgesuchten Italien folgt. Dort starben am Samstag 793 Menschen an einem einzigen Tag an der Krankheit - ein weltweiter Rekord. Es war dringend notwendig, dass Boris Johnson statt etlicher Ermahnungen klare Anweisungen erteilte, die durchzusetzen sind, und damit einen Lockdown herbeiführte. Ein Laissez-faire-Ansatz zur Bekämpfung einer Pandemie hat nicht funktioniert.(...)
Wie die Dinge liegen kann man wohl davon ausgehen, dass Großbritannien in dieser alptraumhaften Erfahrung zwei Wochen hinter Italien zurückliegt. Und doch hatte die
Regierung gewartet, ehe sie nun ein ähnliches Maß an Selbstbeschränkung durchsetzte. Jetzt so zu handeln, ist richtig.“
„Corriere della Sera“ (Mailand)
„Der kommunistische Generalsekretär tut, was man vom Präsidenten der USA erwarten dürfte, etwas, was unser Bild vom Weißen Haus und dem 'Führer der freien Welt' über eine Epoche lang seit dem Ersten Weltkrieg bestimmt hat: Er könnte demokratische Kräfte zusammenführen, ein Beispiel geben für gute politische Führung, der internationalen Gemeinschaft den mächtigen amerikanischen Industrieapparat zur Verfügung stellen. Stattdessen überlässt Donald Trump ganz Xi Jinping das Feld, der es nutzen könnte, um eine neue Weltordnung nach der Pandemie, nach diesem unerwartet destabilisierenden Dritten Weltkrieg, anzuführen.“
„Financial Times“ (London)
„Kein Unternehmen sollte aufgrund des exogenen Schocks einer Pandemie in Konkurs gehen müssen. Aber die Mittel, um sie über Wasser zu halten, müssen in einer fairen und transparenten Weise verteilt werden. Sie sollten zudem an Bedingungen geknüpft sein. Die Empfänger sollten sich damit einverstanden erklären, ihre Mitarbeiter weiter zu bezahlen, Boni für Führungskräfte auszusetzen und auf Aktienrückkäufe und Dividendenzahlungen zu verzichten. Nur sehr wenige dieser Bedingungen waren in der Gesetzesvorlage enthalten. (...)
Oberste Pflicht der Regierung ist es, das Coronavirus zu stoppen. Dennoch beinhaltete der Gesetzentwurf für US-Krankenhäuser lediglich zwei Drittel der für Fluggesellschaften vorgesehenen Beihilfen. Mit nur 2,4 Betten pro 1.000 Menschen hat Amerika eine der niedrigsten Quoten aller westlichen Nationen. Der überarbeitete Gesetzentwurf sollte Mittel für eine rasche Ausweitung der Intensivstationen, der medizinischen Ausrüstungen und des Schutzes von Notfallpersonal vorsehen.“
„Tages-Anzeiger“ (Zürich)
„Wie lange wird Covid-19 in unseren Köpfen bleiben, nachdem sich die Körper dagegen immunisiert haben? Noch lange, hoffen Umweltschützerinnen. Denn die Natur gehört zu den wenigen Gewinnerinnen der Corona-Krise. (...) Auf ein Nachwirken des kollektiven Zu-Hause-Sitzens hoffen auch Freunde der Digitalisierung. Die unfreiwillige Nutzung von Homeoffice, Homeschooling und Homeshopping lasse viele Menschen deren Vorteile erkennen. (...) Weitere Post-Corona-Prognosen lauten: Der Nationalstaat werde erstarken, die Globalisierung hingegen schwächeln. Staatliches Durchgreifen und eine breite Überwachung würden leichter akzeptiert. Der öffentliche Verkehr werde sich nie mehr richtig vom Seuchenherd-Image erholen, das Gleiche gelte für Großveranstaltungen. Dafür werde gemeinschaftliches Handeln höher geschätzt. Abwegig ist das alles nicht. Erzwungene Verhaltensweisen können fortdauern, auch wenn der Zwang wegfällt.“
“Aftonbladet" (Stockholm)
“Die Krise hat uns gezeigt, was nicht funktioniert. Gerade jetzt werden Rufe nach mehr Pflegepersonal, mehr Desinfektionsmitteln und Schutzausrüstung für das Pflegepersonal laut. Ganz offensichtlich wollen wir eine starke Wohlfahrt, Krankenpflege und Fürsorge, die den Druck verkraftet. Das hier kann eine Chance für eine sozial nachhaltige Umstellung in Schweden sein. Es ist das größte Gesellschaftsprojekt unserer Lebenszeit. Wir befinden uns gerade mittendrin, und niemand weiß, ob das, was jetzt getan wird, ausreichen wird. Das Leben ist bis auf unbestimmte Zeit eingestellt. Aber das hier ist eine Möglichkeit zu einem Neustart für Schweden."
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