Bulgaren kämpfen an vielen Fronten
Es wird immer schlimmer", seufzt die Besitzerin der "Snackbar Niki", einem Imbiss am Markt des kleinen bulgarischen Städtchens General Toschevo unweit der rumänischen Grenze. Man will diese Aussage gar nicht glauben, denn im Städtchen scheint alles in Ordnung zu sein. Das Gras im Zentrum ist ordentlich gemäht. Blumentöpfe schmücken die Lampenpfosten entlang der sauberen Hauptstraße. Doch das ist nur die hübsche Fassade der Realität im ganzen Land, die von Armut, hoher Arbeitslosigkeit und politischem Versagen geprägt ist.
General Toschevo liegt in der Dobrudscha-Region, aus der das meiste Getreide des Landes kommt. Die Gegend ist für ihren fruchtbaren Boden berühmt, wo im August köstliche Wassermelonen wachsen und Paprika. Man versucht auch wieder Lavendel anzubauen. "Daraus wird nichts", sagt die Imbissbesitzerin. "Es fängt gerade etwas an, ein neues Projekt, vielleicht mit EU-Geld, aber dann kommen schon wieder vorgezogene Wahlen, eine neue Regierung, die alle Projekte der alten Administration stoppt. Und alles fängt von vorne an", sagt die Frau.
Tatsächlich steht der Termin für die nächsten außerplanmäßigen Parlamentswahlen schon fest: 5. Oktober. Es ist die zweite Parlamentswahl in knapp eineinhalb Jahren. Zur Neuwahl im Mai 2013 kam es nach monatelangen Protesten gegen die damalige Regierung des Rechtspopulisten Boiko Borisov und seiner Partei GERB. Auslöser war eine weitere Erhöhung der Strompreise – die meisten Bulgaren konnten kaum mehr ihre Strom- und Heizkosten bezahlen.
Gerade hatten die Sozialisten das Ruder des Staats mit ihrem Koalitionspartner, der türkischen Minderheitspartei DPS, übernommen, da gingen die Menschen im Juni schon wieder auf die Straße. Grund diesmal war die fragwürdige Ernennung des DPS-Abgeordneten Deljan Peevski zum Chef der Staatssicherheitsbehörde.
Späte Rettungsaktion
Gleichzeitig kam der Banken-Run auf die viertgrößte bulgarische Bank, die Corporate Commercial Bank. Wie es scheint, wegen eines Oligarchenkrieges zwischen Mehrheitsaktionär Zvetan Vassilev und seinem früheren Geschäftspartner, dem DPS-Abgeordneten Peevski.
Wenig später gingen Warnungen per eMail und SMS an Hunderte bulgarische Einleger: Ihre Geldkonten seien nicht sicher. Und so kam es zum zweiten Run – auf die drittgrößte Bank, die First Investment Bank (FIB).
Zu wenig zum Überleben
In Bulgarien liegt der Durchschnittslohn bei umgerechnet rund 350 Euro. In Wahrheit bekommen viele aber nur etwa 200 Euro, die meisten Pensionisten müssen mit rund 80 Euro im Monat auskommen – und das reicht nicht zum Überleben. Viele glaubten an die anonymen Warnungen und gingen los, um ihr weniges Geld aus den Banken zu retten. An einem Tag allein hoben die Bulgaren bei der FIB rund 400 Millionen Euro ab. Nun wird ermittelt, wer genau hinter den falschen Informationen über die Banken steckt.
Die EU-Kommission, der Internationale Währungsfonds, die bulgarische Notenbank und Staatspräsident Rosen Plevneliev: Alle haben das Bankensystem im Land für stabil erklärt. Doch daran glauben die Bulgaren nicht: Weil ihnen bis jetzt keiner richtig erklärt habe, was genau passiert ist und warum. Laut der jüngsten Eurobarometer-Umfrage misstrauen 79 Prozent der Bulgaren ihrem Parlament, 71 Prozent zweifeln an der Regierung.
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