Brexiteers werden weich: Wortführer deutet plötzlich Einlenken an

British Conservative Party Member of Parliament Jacob Rees-Mogg leaves the Cabinet office, in London
Rees-Mogg rückt von striktem Nein zu jeglichem Deal, der Backstop enthält, ab. EU-Verhandler Barnier sieht Chancen auf Deal.

Das Szenario eines Brexit-Aufschubs lässt nun offenbar auch die Befürworter eines harten EU-Austritts Großbritanniens nervös werden. Ihr Wortführer Jacob Rees-Mogg hat am Mittwoch in der BBC angedeutet, dass er einem Brexit-Deal zustimmen könnte, in dem auch die umstrittene Auffanglösung für Nordirland ("Backstop") enthalten ist. Bisher hatte Rees-Mogg dies strikt abgelehnt.

Der konservative Mandatar trug mit seiner Gruppe, der rund 50 Abgeordnete angehören, wesentlich zur Ablehnung des Brexit-Deals durch das Unterhaus im Jänner bei. Damals betonte er, dass er keinem Austrittsabkommen zustimmen werde, in dem der Backstop enthalten sei. Die britische Premierministerin Theresa May bemühte sich in den vergangenen Wochen, die EU in dieser Frage zu Zugeständnissen zu bewegen. Die EU-27 betonten, dass der Austrittsvertrag nicht verändert werden könne.

Backstop mit Ablaufdatum

Rees-Mogg sagte nun nach Angaben der Tageszeitung "Guardian" (Onlineausgabe), dass er "damit leben könnte", wenn der Backstop "de facto" entfernt werde, selbst wenn er "de iure" weiterhin bestehen bleibe. Allerdings sollte die Lösung mit einem Ablaufdatum versehen sein und "während der Mandatsperiode des Parlaments entfallen". "Ein veränderter Deal ist ein veränderter Deal. Natürlich wäre ich offen, das zu erwägen", sagte der Tory-Mandatar.

Das Unterhaus stimmt am Mittwochabend über die weitere Vorgangsweise beim Brexit ab. Premierministerin Theresa May hatte den Abgeordneten am Dienstag bedeutende Zugeständnisse angekündigt. So sagte sie, dass sie das Parlament über einen ungeregelten Brexit abstimmen lassen werde, wodurch die Position der Brexit-Gegner massiv gestärkt wurde. Außerdem ließ sie nach massivem innenpolitischen Druck, der Medienberichten zufolge sogar in der Rücktrittsdrohung von 15 Kabinettsmitgliedern gipfelte, die Drohkulisse der knapper werdenden Zeit bis zum Austritt fallen, indem sie erstmals einer Verschiebung des EU-Austritts bis Ende Juni zustimmte. Darüber soll das Unterhaus abstimmen können, wenn es bis 12. März keinen Brexit-Deal gibt.

Beobachter sehen darin auch einen Schachzug der Premierministerin, die Brexit-Hardliner auf ihre Seite zu ziehen. Diese könnten sich nämlich Mitte März in der Situation wiederfinden, "den Spatz in der Hand" (Mays Brexit-Deal, der einen Austritt am 29. März sicherstellen würde) der "Taube auf dem Dach" (ein härterer Brexit) vorzuziehen, um eine Verschiebung des Austrittsdatums und ein mögliches zweites Brexit-Referendum zu verhindern.

FILE PHOTO: EU Chief Brexit Negotiator Barnier walks at EC HQ in Brussels

Barnier: Gibt noch eine echte Deal-Möglichkeit

Der Brexit-Chefunterhändler der EU, Michel Barnier, hält ein geregeltes Ausscheiden der Briten aus der Europäischen Union noch für möglich. "Es ist nicht richtig zu sagen, dass ein No-Deal-Brexit am wahrscheinlichsten ist", sagte Barnier am Mittwoch dem französischen Sender Franceinfo.

Als Verhandlungsführer tue er alles, um eine Einigung zu erzielen. Dabei setze er alles daran, dass ein Abkommen mit der britischen Premierministerin Theresa May zustande komme, dem das britische Unterhaus auch zustimmen werde. Dafür gebe es "noch eine echte Möglichkeit", sagte Barnier, der am Donnerstag in Wien erwartet wurde.

Die Briten würden die Konsequenzen des Brexits oft unterschätzen, sagte Barnier. Dabei seien die Folgen besonders für die Briten gravierend. "Sie sind unzählig: menschlich, sozial, wirtschaftlich und finanziell, technisch und rechtlich." Barnier betonte erneut, dass er den Brexit bedauere. "Ich sehe darin keinen Mehrwert", sagte er. Beim Austritt der Briten aus der EU gebe es nur Verlierer.

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