Brexit-Gespräche: Zwei von drei Briten mit May unzufrieden

Brexit-Gespräche: Zwei von drei Briten mit May unzufrieden
67 Prozent halten Verhandlungsführung Londons für "sehr" oder "ziemlich schlecht". "Keine solide Mehrheit" gegen EU-Austritt.

Großbritannien soll Ende März die EU verlassen. Die Verhandlungen zwischen London und Brüssel verlaufen bisher schleppend, einige wesentliche Fragen wie die der irisch-nordirischen Grenze sind weiter offen. Immer wieder haben EU-Vertreter London angesichts des knappen Zeitplans zur Eile gemahnt - doch auch in Großbritannien selbst zeigen sich viele mit dem Vorgehen der Regierung unzufrieden.

Schlechtes Zeugnis für May

Erst im Juni ergaben Umfragen des Meinungsforschungsinstituts YouGov mehrheitlich negative Bewertungen für die Verhandlungsführung Londons unter Premierministerin Theresa May: In der aktuellsten veröffentlichten Befragung vom 20. Juni äußerten 34 Prozent die Ansicht, dass die Regierung den Brexit "sehr schlecht" verhandle, 33 Prozent nannten das Vorgehen "ziemlich schlecht", 19 Prozent "ziemlich gut" und nur ein Prozent "sehr gut". Auch in den drei anderen YouGov-Umfragen im selben Monat stellten jeweils mindestens 62 Prozent der Befragten der Regierung auf dieselbe Frage hin kein positives Zeugnis aus, und höchstens zwei Prozent befanden, dass sich London in den Brexit-Verhandlungen "sehr gut" anstelle.

Viele Briten erwarten laut Ende Juni veröffentlichten Daten des Instituts Ipsos MORI außerdem nicht, dass May einen "guten Deal" für Großbritannien herausverhandeln wird: Nur einer von drei Befragten (30 Prozent) brachte diesbezüglich Vertrauen in die Regierungschefin zum Ausdruck, während 67 Prozent angaben, sie seien nicht sehr oder überhaupt nicht überzeugt davon.

Im Grunde sind die meisten Menschen der Ansicht, dass die Regierung den Brexit nicht gut abwickelt

von Politik-Analyst Roger Mortimore

"Im Grunde sind die meisten Menschen der Ansicht, dass die Regierung den Brexit nicht gut abwickelt", sagte auch der Politik-Analyst Roger Mortimore jüngst zur APA. Das gelte sowohl für Brexit-Gegner als auch für Austrittsbefürworter: "Auch die, die für den Brexit sind, haben nicht das Gefühl, dass es so gut läuft, wie es laufen sollte." Wobei manche von ihnen wohl der Ansicht seien, dass May zwar ihr Bestes gebe, der Aufgabe aber nicht gewachsen sei, und andere meinten, dass sie "Teil eines größeren Plans ist zu verhindern, dass der Brexit wirklich passiert" und nicht nur auf dem Papier, so der Experte von Ipsos MORI, der am Londoner King's College lehrt.

"Ich glaube, es ist nicht übertrieben zu sagen, dass viele Leute unglücklich sind, da ist fast ein Hauch von Verzweiflung", doch die meisten Brexit-Befürworter hielten immer noch "verbissen" daran fest, den EU-Austritt prinzipiell zu unterstützen, "auch wenn es unangenehm oder schmerzhaft wird". Die andere Hälfte der Bevölkerung - "und wir waren ja fast 50-50 gespalten" - sehe sich durch all die Komplikationen in ihren Vorhersagen bestätigt, "dass der Brexit immer eine schlechte Idee war und die Leute das erkennen und nicht dafür stimmen hätten sollen".

Keine solide Mehrheit gegen den Brexit

Mortimore sieht nach wie vor keinen massiven Meinungsumschwung in der britischen Bevölkerung, was den Austritt an sich betrifft: "Es gibt keine solide Mehrheit gegen den Brexit." Man müsse sich in Erinnerung rufen, dass die meisten Menschen, die im Juni 2016 für den Brexit votiert hätten, das nicht aus einer "politischen Kalkulation" heraus getan hätten, betont der Professor.

"Sie haben das nicht getan, damit es ihnen besser geht, ungeachtet der ganzen Aufregung darüber, wie viele Millionen wir stattdessen für das Gesundheitssystem (NHS) ausgeben werden. Das war es nicht wirklich, was die meisten Menschen motiviert hat, die für den Brexit gestimmt haben. Es war vielmehr eine Sache des Prinzips und des Bauchgefühls", es sei um Nationalismus gegangen, "ein Gefühl, dass Großbritannien separat von Europa ist und sein sollte", um Einwanderung und genereller um Fragen nationaler Identität. "Und die meisten dieser Erwägungen werden sich nicht ändern, wenn sich die politischen Details verändern."

Wenn die Leute auf Basis ihrer Werte entschieden hätten "und es dann schiefgeht und sie beginnen zu realisieren, dass der Brexit schmerzhafter wird als sie dachten, dann ist die Reaktion nicht, zu denken, ich habe mich verkalkuliert, jetzt unterstütze ich den Brexit nicht mehr. Sie ist vielmehr, entweder zu sagen, es gefällt mir zwar nicht, aber ich muss es hinnehmen, denn das ist es, woran ich glaube, oder sich umzuschauen, wen man dafür verantwortlich machen kann, dass es schwieriger ist, als es sein sollte." Und beschuldigt würden dann wohl die Politiker sowohl in London als auch in Brüssel, meint Mortimore.

Darauf deuten auch aktuelle Daten von Ipsos MORI hin: Auf die Frage, wer dafür verantwortlich wäre, wenn in den Brexit-Verhandlungen kein Abkommen erzielt werden sollte, gab rund die Hälfte (49 Prozent) der Befragten der britischen Regierung und der EU gleichermaßen die Schuld. 30 Prozent meinten in der Ende Juni veröffentlichten Umfrage, dafür wäre hauptsächlich die Regierung in London verantwortlich, 18 Prozent die EU.

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