Weihnachten in Bethlehem ohne Pilger: "Wir beten, dass sie zurückkommen"

Der Christbaum in Bethlehem vor der Geburtskirche ist heuer wieder erleuchtet
Die Sicherheitslage im Westjordanland ist unruhig. Das schreckt Pilger von einer Weihnachtsreise nach Bethlehem ab. Viele Bewohner, die vom Tourismus leben, verlassen den Heiligen Ort.

Bethlehem ist leer. Keine Pilger, die sich von einer heiligen Stelle zur nächsten schieben. Keine Besucher drücken sich durch die viel zu kleine Türe und kämpfen um den besten Platz für ein Selfie. Niemand kauft Souvenirs, niemand erwirbt die berühmten Holzfiguren, handgemacht von den lokalen Holzschnitzern. Keine Pilger besuchen die Messen in dem armenischen, griechisch-orthodoxen oder katholischen Flügel einer der ältesten Kirchen der Welt. 

Normalerweise strömen zur Weihnachtszeit rund 100.000 Pilger zur Geburtskirche nach Bethlehem, der für Christen heiligen palästinensischen Stadt im Westjordanland, um den Geburtstag Jesu an dem Ort zu begehen. Hier soll er in der Nacht von 24. auf 25. Dezember geboren worden sein. 

Normalerweise… Denn seit dem 7. Oktober 2023 ist vieles anders. In der Grotte unterhalb der Kirche, in der Jungfrau Maria Jesus zur Welt gebracht haben soll, ist kein Mensch - außer dem 25-jährigen Touristenführer und Holzschnitzer Michael. 

Dabei sollte doch jetzt – seit der Waffenruhe am 10. Oktober 2025 – alles wieder normal sein. Darauf hatten zumindest die Bewohner, die fast alle vom Tourismus leben, gehofft, sagt Michael. Immerhin wurde der große Weihnachtsbaum vor der Geburtskirche heuer das erste Mal seit dem 7. Oktober 2023 wieder beleuchtet. Auch die meisten Weihnachtsmessen finden wieder statt. 

Aber die Touristen bleiben weiter aus. 

Die Geburtsgrotte Jesu unter der Geburtskirche ist völlig leer

Die Kosten des Krieges

„Die Leute haben Angst, weil wir hier in Palästina sind. Leider“, sagt Michael. Und tatsächlich, rund um den großen Christbaum auf dem Platz zwischen der örtlichen Moschee und der Geburtskirche sammeln sich hauptsächlich Einheimische. Im orthodoxen Flügel der Geburtskirche nutzt ein Brautpaar die ungewohnte weihnachtliche Stille für eine intime Zeremonie. Im katholischen Flügel wird eine Privatmesse nur für Einheimische gehalten. Die meisten Bänke bleiben leer. „Wir erleben derzeit vielleicht zehn Prozent des Tourismus, der üblicherweise zu Weihnachten hier wäre“, rechnet Michael vor. 

Das österreichische Außenministerium mahnt bei Einreise in die Region zu genauer Prüfung der Sicherheitslage. Für Bethlehem gilt die Sicherheitsstufe 3 von 4. Das schreckt viele ab. Zudem dauern die Reise von Jerusalem und die Einreisekontrollen nun länger. Die Sicherheitslage in der gesamten Region ist volatil, die Anspannung in Israel und im Westjordanland überall zu spüren. Auch am hochheiligen Ort.

Zwischen Weihnachtsbaum und Geburtskirche steht eine Gruppe schwerbewaffneter israelischer Soldaten. Auch ein palästinensischer, muslimischer Polizist patrouilliert vor der Kirche. „Gott segne dich, Schwester, dass du hierhergekommen bist“, sagt er zu einer der wenigen Touristinnen, die gerade aus der Kirche kommt. 

„Wir leben hier friedlich zusammen“, beteuert der jemenitische Jude Michael dem KURIER. Aber gegenüber der Geburtskirche, auf der anderen Seite des Platzes, auf dem der Christbaum leuchtet, steht die Moschee. „Dahinter beginnt der muslimische Teil. Da kann ich nicht hinein“, antwortet Michael knapp. 

Ohne Pilger kein Einkommen

Er ist im christlichen Teil zu Hause, der hinter der Geburtskirche liegt. Seiner Familie gehört hier die, laut Michael, älteste Holzschnitz-Manufaktur in Bethlehem, er ist selbst Schnitzer der siebenten Generation. Seit der Waffenruhe in Gaza hat die Familie die Fabrik wieder geöffnet – aber nur, um sie den wenigen Besuchern zu zeigen. Geschnitzt werde derzeit nicht, „die Lager sind voll. Bleiben die Pilger aus, fehlen die Käufer und die Familien haben kein Einkommen“, sagt Michael. Deshalb betreibe er mit seiner Familie mittlerweile auch eine Suppenküche, sie leben von Spenden. 

„Wir sind hier auf uns gestellt und versuchen, füreinander zu sorgen“, sagt Michael. Viele Christen, die hier – wie seine Familie – seit Generationen Geschäfte oder Restaurants betreiben, Touristenführungen anbieten und Holzfiguren schnitzen, sind weggezogen, weil sie ohne Tourismus keine Arbeit mehr hatten, sagt Michael und steht in der Gasse, die von der Geburtskirche in den christlichen Teil der Stadt führt. Und tatsächlich: Fast alle Geschäfte hier sind geschlossen. Die wenig übrigen Verkäufer hoffen, dass die Touristen und Pilger zurückkommen. „Aber dieses Weihnachten ist für uns wohl verloren. Wir beten, dass es besser wird. Wir beten, dass die Touristen zurückkommen.“

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