Belgischer König versucht, Regierungskrise abzufedern

Ein Parteichef nach dem anderen sondierte mit König Philippe (re.) die Lage
Es war ein Kommen und Gehen am Mittwoch im königlichen Palast in Brüssel. In Vier-Augen-Gesprächen beriet König Philippe mit den Spitzenpolitikern der wichtigsten Parteien Belgiens, um auszuloten, wie er die aktuelle Regierungskrise managen könnte. Premier Charles Michel hatte am Dienstagabend sein Rücktrittsgesuch beim König eingereicht, nachdem Sozialdemokraten und Grüne einen Misstrauensantrag gegen den Liberalen im Parlament angekündigt hatten.
Weltrekord in langsamer Regierungsbildung
Philippe nahm die Demission vorerst nicht an. Dauerte doch die vergangene Regierungsbildung mehr als vier Monate, die zuvor hatte sich überhaupt über 541 Tagen hingezogen und ging damit ins Guiness-Buch der Rekorde ein. Da im Mai 2019 ohnehin Parlamentswahlen in Belgien anstehen, wurde am Mittwoch in Brüssel gemutmaßt, könnte der König Michel erneut mit der Regierungsbildung beauftragen.
Auslöser der Regierungskrise war ein Streit um Michels Reise zur UNO-Migrationskonferenz in Marrakesch und seine Unterstützung des UN-Migrationspakts (den einige Länder, darunter auch Österreich, ablehnen). Die nationalistische Regionalpartei N-VA aus dem flämischsprachigen Norden stieg deshalb vor elf Tagen aus der seit 2014 amtierenden Mitte-Rechts-Regierung aus. Die N-VA war der mit Abstand größte Koalitionspartner des frankophonen Liberalen Michel. Belgiens Migrationspolitik war allerdings von Anfang an ein Zankapfel in der Koalition.
„Guter Wille“gefragt
Um eine politische Blockade zu vermeiden, wollte der 42-jährige Premier bis zum Wahltermin am 26. Mai mit einer Minderheitsregierung weitermachen: Gemeinsam mit den flämischen Liberalen und den Christdemokraten hat diese Koalition nur 52 der 150 Sitze im Parlament. Den drohenden Misstrauensantrag der Sozialdemokraten und Grünen versuchte Michel am Dienstag noch abzuwehren. Er warb um eine „Koalition des guten Willens“ und präsentierte seinen politischen Fahrplan bis Mai mit den Schwerpunkten Kaufkraft, Sicherheit und Klimaschutz. Vergebens.
"Treiben in Richtung Abgrund"
Die flämische Zeitung De Standaard bezeichnete es in ihrer Mittwoch-Ausgabe als Demütigung Michels – sowohl durch die N-VA als auch die linke Opposition. „Diese verrückte Krise, die niemand kommen sah, enthüllt den neuen Riss in der belgischen Politik. Die nationalistische Aufregung, die überall in Europa für Furore sorgt, überflutet auch die Wetstraat“, das belgische Regierungsviertel, kommentierte die Zeitung und setzte fort: „Politiker verlieren ihre Gelassenheit, werden impulsiv, emotional, unnötig beleidigend und treiben in Richtung Abgrund. Michel hat seine Regierung und sein Ansehen verloren.“
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