Athen lehnt Vorschläge der Gläubiger ab
Griechenland kann die Vorschläge der Gläubiger-Institutionen für Reform- und Sparmaßnahmen nach Angaben aus griechischen Regierungskreisen nicht hinnehmen. Die Vorschläge "können nicht akzeptiert werden", weil sie "rezessive" Maßnahmen und ein als "vollkommen unzureichend" einzustufendes Finanzierungsprogramm über fünf Monate beinhalteten, sagte ein Regierungsvertreter am Freitag.
Denn der Vorschlag diene nur dazu, die Maßnahmen von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds zu legitimieren, die für die Wirtschaftskrise in Griechenland verantwortlich seien. "Die Regierung hat weder das Mandat des Volkes noch das moralische Recht, ein neues Hilfsprogramm zu vereinbaren."
Athen: "Investitionsprogramm nötig"
Die in Aussicht gestellten 15,5 Milliarden Euro seien nicht akzeptabel, da sie nur dafür ausreichten, die griechischen Tilgungsraten in dieser Zeit zu bezahlen. Die griechische Wirtschaft würde in dieser Zeit jedoch weiter darben, die Arbeitslosigkeit nicht sinken. Stattdessen sei auch ein umfassendes Investitionsprogramm nötig. Athen habe einen "vernünftigen Vorschlag" vorgelegt, der von den Institutionen bisher abgelehnt werde.
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat noch für Freitagabend eine Dringlichkeitssitzung des Kabinetts einberufen.
Merkel: "Großzügiges Angebot"
Merkel hatte am Nachmittag noch von einem "außergewöhnlich großzügigen Angebot" gesprochen, das die internationalen Geldgeber Griechenland gemacht hätten. Dieses gehe über die Konditionen des bisherigen Hilfsprogramms hinaus. Einen erneuten Gipfel der Euro-Länder in der Griechenland-Frage hatte die deutsche Kanzlerin ausgeschlossen. Die Zusammenkunft am Samstag habe "entscheidenden Charakter“.
Die Euro-Finanzminister hatten ihre Beratungen am Donnerstag erneut ohne Durchbruch vertagt. Am Samstag wollen sie sich zu einer weiteren Krisensitzung treffen. Für harte Reform- und Sparmaßnahmen bieten die Geldgeber Griechenland eine deutliche Aufstockung sowie eine Verlängerung des Griechenland-Programms um fünf Monate an.
Schulz: Nicht "überreizen"
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz warnte unterdessen Athen, die Verhandlungen mit der Eurogruppe nicht zu überreizen: "Wenn das Kalkül der griechischen Regierung darin besteht zu sagen: Wir reizen unsere Karten bis zum letzten aus, weil die werden sowieso zahlen. Dann glaube ich, unterliegt die Regierung einem schwerwiegenden Irrtum." Für einen solchen Irrtum werde "am Ende das griechische Volk die Zeche" zahlen.
Hilfen könnten verlängert werden
Unterdessen ist ein neues Dokument aufgetaucht, in dem die Geldgeber im Falle einer Last-Minute-Einigung mit Griechenland die Verlängerung des Hilfsprogramms bis Ende November erwägen. Bis dahin könnten dem pleitebedrohten Land Finanzmittel in Höhe von insgesamt 15,3 Mrd. Euro zufließen, heißt es in dem Papier, das der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag vorlag.
In dem Papier wird auch der Zeitplan für die Überweisungen dargelegt - unter der Voraussetzung, dass sich bis Dienstag Euro-Partner, IWF und griechische Regierung auf die Bedingungen für die Verlängerung einigen. So sollten zunächst 1,8 Mrd. Euro in der kommenden Woche überwiesen werden, die aus Gewinnen der EZB durch den Erwerb griechischer Staatsanleihen im SMP-Programm 2014 stammen. Damit soll Griechenland die am Dienstag fällige Tranche an den IWF begleichen. Das Geld würde demnach fließen, sobald das griechische Parlament der Einigung mit den Gläubigern zugestimmt hat.
Volk soll entscheiden
Tsipras will das griechische Volk am 5. Juli über die von den internationalen Geldgebern verlangten Reformen abstimmen lassen. Dies kündigte der Regierungschef in einer Fernsehansprache im griechischen Fernsehen in der Nacht auf Samstag an.
Oettinger schließt Grexit nicht aus
EU-Kommissar Günther Oettinger hält inzwischen einen Grexit für unvermeidbar, sollte es in den nächsten fünf Tagen keine Einigung geben. Es werde alles versucht, um Griechenland in der Eurozone zu halten, sagte Oettinger am Freitag im Deutschlandfunk. "Der Grexit wäre für uns kein Ziel, aber er wäre unvermeidbar, wenn wir in den nächsten fünf Tagen keine Lösung bekommen."
Faymann warnt vor Grexit-Spekulationen
Werner Faymann erteilte Spekulationen über einen Grexit erneut eine Absage. "Ich bin fest davon überzeugt, dass alle Experten, die leichtfertig einen Grexit berechnen und die Problemlosigkeit der Machbarkeit in den Raum stellen, dass das dieselben Experten sind, die nachher erklären, warum man das nicht hätte machen sollen."
Athener Presse: "Land im Schraubstock"
"Griechenland im Brüsseler Schraubstock", titelt die Boulevardzeitung "Ethnos". Am Vortag habe es in Brüssel "wilde Erpressungen und Ultimaten" gegeben. Am Samstag gebe es nun die letzte Chance. Regierungschef Alexis Tsipras glaube noch an eine Lösung.
"Lösung oder endgültiger Bruch", titelt das konservative Blatt " Kathimerini". Die Stimmung in Brüssel sei zu Griechenland feindlich gewesen. Sollte am Samstag die Eurogruppe zu keinen Kompromiss kommen, wolle die Eurogruppe einen Plan B besprechen. Darin gehe es um die Folgen eines Zusammenbruchs Griechenlands und die danach nötigen Maßnahmen.
Die linke Zeitung "Efimerída ton Syntakton" meint, die Gläubiger wollten Tsipras erledigen. Sie strebten den Zusammenbruch seiner Regierung an, indem er sich voll und ganz ihren Wünschen unterwerfen müsse. Tsipras habe dem EU-Präsidenten Donald Tusk gesagt: "Unterschätzen Sie nicht, was ein Volk machen kann, wenn es sich erniedrigt fühlt."
Die Zeitung der in Athen regierenden Linkspartei, "I Avgi", titelt: "Tsipras: Ich werde nicht den Tod Griechenlands unterzeichnen - Neue Eurogruppe in letzter Minute am Samstag". Das Blatt kommt zum Schluss: (Deutschlands Finanzminister Wolfgang) "Schäuble und Co erpressen Europa."
Weiterführende Links
Zum Nachlesen: Der KURIER Liveticker zu den Verhandlungen
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