Asylwerber müssen in Gefängnisse und Zeltlager

In der Asyldebatte wird der Ton zwischen dem Innenministerium und den Bundesländern schärfer. Aufgrund der hohen Asylantragszahlen werden wöchentlich rund 1600 neue Plätze benötigt, sagt das Innenministerium. Durch den seit heute, Mittwoch, gültigen Bescheid ist die Neuaufnahme und Unterbringung von Asylwerbern in Traiskirchen aus "sanitätspolizeilichen Gründen" untersagt. Neue Flüchtlinge werden dann nach einer Erstuntersuchung und ersten Verfahrensschritten in die Bundesländer gebracht, wo sie in Quartieren des Bundes untergebracht werden sollen.
So werden etwa für 150 Flüchtlinge "feste Quartiere" in den Polizeianhaltezentren (Gefängnisse des Innenministeriums) Klagenfurt, Salzburg und Wien organisiert. Zusätzlich 300 Plätze sollen in oberösterreichischen Containerstandorten in Ohlsdorf, Mondsee und Hörsching entstehen.
Gegen Vereinbarung
In Kärnten ist Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) über Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sichtlich erzürnt. Denn es soll eine neue Zeltstadt für 400 Personen neben der Justizanstalt Rottenstein in St. Georgen am Längsee entstehen. "Das ist eine unzumutbare und unerklärliche Handlungsweise des Innenministeriums, welches damit Vereinbarungen, wonach keine weiteren Zelte zu errichten sind, zuwiderläuft", sagt Kaiser.
Seine Bemühungen mit den Bezirken, feste Unterkünfte zu schaffen, ohne die Größenordnung von 50 Personen zu überschreiten, werden damit mit einem Schlag zunichte gemacht. Kaiser: "Für diese Vorgehensweise übernehme ich keinerlei Verantwortung."
System blockiert.Selten meldet sich das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in tagespolitischen Fragen zu Wort. Umso erstaunlicher die Aussage des Europa-Direktors der Organisation, Vincent Cochtel, über die derzeitige Flüchtlingstragödien in und um Europa. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa sagte Cochtel, die EU-Staaten müssten strenger zwischen tatsächlich Asylberechtigten und Wirtschaftsflüchtlingen unterscheiden – und Wirtschaftsflüchtlinge konsequent abschieben.
Seine Begründung: Menschen die vor Armut und Hunger fliehen, würden das „System blockieren“. Sie müssten zurückgeschafft werden, um Platz für tatsächlich Schutzbedürftige zu machen. „Nur so versteht die Bevölkerung, dass diejenigen, die bleiben, wirklich schutzbedürftig sind.“ Gegenwärtig würden europaweit nur 40 Prozent der Wirtschaftsmigranten zurückgeschafft. Zugleich müsste in Ländern, aus denen Wirtschaftsflüchtlinge kämen, klargemacht werden, „dass die Betreffenden kein Asyl erhalten“. Für diese Länder brauche es aber gezielte, kontrollierte Gastarbeiterprogramme, die es einigen erlaubten, saisonale Arbeit zu verrichten.
Die Unterscheidung zwischen Menschen, die vor unmittelbarer Gewalt oder Verfolgung, und solchen, die vor Armut und Hunger fliehen, wird von zahlreichen Organisationen kritisiert. Umso erstaunlicher die Aussagen Cochtels, langjähriger Mitarbeiter des UNHCR unter anderem im Nordkaukasus – wo er sich 1998 mehr als 300 Tage in Geiselhaft Aufständischer befunden hat.
2000 ertrunkenWelche Ausmaße die Flüchtlingskrise angenommen hat, verdeutlichen tragische Zahlen: Im Mittelmeer sind heuer laut Internationaler Organisation für Migration (IOM) bereits mehr als 2000 Menschen beim Versuch ertrunken, per Boot auf EU-Gebiet zu gelangen. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 1674.
„Es ist unannehmbar, dass im 21. Jahrhundert Menschen auf der Flucht vor Kriegen, Verfolgung und Armut derart Schreckliches widerfährt“, so der Generaldirektor der IOM, William Lacy Swing. Er lobte zugleich den Einsatz von Schiffen im Mittelmeer, die im Rahmen der EU-Mission „Triton“ seit Jahresbeginn 188.000 Menschen aus Seenot gerettet haben.
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