Armenien: Oppositionsführer kündigt Totalblockade des Landes an

Paschinian war bei der geplanten Wahl zum Übergangspremier gescheitert. Er sprach von einer "Kriegserklärung an das Volk."

In Armenien hat sich die politische Krise neuerlich zugespitzt. Oppositionsführer Nikol Paschinian ist am Dienstag vom Parlament nicht zum Übergangspremier gewählt worden, weil ihm die Partei des gestürzten Premiers Sersch Sarkissian die Zustimmung verweigerte. Der Oppositionsführer wertete dies als "Kriegserklärung an das Volk" und will das Land am Mittwoch mit einem Generalstreik lahmlegen.

Paschinian hatte im Vorfeld des Parlamentsvotum einen "politischen Tsunami" angekündigt, sollte er nicht gewählt werden. Von den 100 Abgeordneten, die am Dienstagabend nach einer stundenlangen Sitzung ihre Stimme abgaben, votierten 55 Abgeordnete gegen Paschinian und 45 für ihn. Paschinian war der einzige Kandidat. Er hatte in den vergangenen Tagen um Zustimmung geworben, um die politische Krise im Land zu beenden. Für die Wahl hätte er 53 von 105 Stimmen benötigt.

"Wir werden die Straßen, den Flughafen, alles blockieren", sagte Paschinian am Dienstagabend bei einer Massenkundgebung. Er rief auch die Polizisten auf, ihre Schutzschilde niederzulegen und die Seiten zu wechseln. Mit der bisherigen Regierungspartei wolle er nur noch über ihr "Begräbnis" verhandeln, unterstrich er.

Unterstützung zerschlug sich

Am Montag hatte Paschinian sich von seinen Unterstützern im Parlament als deren gemeinsamer Kandidat aufstellen lassen. Seine Hoffnung auf Unterstützung auch aus der Mehrheitsfraktion der bisher regierenden Republikanischen Partei zerschlug sich aber am Dienstag.

Die Opposition in dem Kaukasusland erhoffte sich von dem angestrebten Machtwechsel eine Beruhigung der Lage nach Wochen der politischen Spannungen, die am 13. April mit Massenprotesten begannen und am 23. April im Rücktritt des seit zehn Jahren herrschenden Politikers Sersch Sarkissian gipfelten, der als russlandfreundlich galt.

Die Proteste waren entbrannt, weil sich Sarkissian nach zehn Jahren als Präsident zum Regierungschef wählen ließ. Die Demonstranten werfen ihm und seiner Republikanischen Partei vor, für Korruption und Armut mit rund drei Millionen Einwohnern verantwortlich zu sein.

"Politischer Tsunami"

In der Außenpolitik hält Paschinian an der Zusammenarbeit sowohl mit Russland als auch mit der EU fest, wie er in der Debatte abermals betonte. Gegen den verfeindeten Nachbarn Aserbaidschan hat er im Konflikt um das Unruhegebiet Berg-Karabach einen harten Kurs angekündigt.

Sarkissians bisher regierende Republikanische Partei hatte keinen eigenen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs aufgestellt und zunächst nicht ausgeschlossen, für Paschinian zu stimmen. Aber kurz vor der Abstimmung sagte Fraktionschef Wagram Bagdasarian, seine Partei werde gegen Paschinian stimmen. "Er hat uns nicht überzeugt", sagte Bagdasarian. Seine Partei verfügt über 58 der 105 Mandate und damit über die absolute Mehrheit.

Vor der Abstimmung hatte Paschinian die Abgeordneten davor gewarnt, seine Wahl zu torpedieren. Wenn er nicht gewählt werde, stehe dem Land ein "politischer Tsunami" bevor, sagte er. Es gebe Hinweise darauf, dass die Ex-Präsidenten Sarkissian und Robert Kotscharian planten, "wieder die Macht zu übernehmen", sagte er in der siebenstündigen Sondersitzung des Parlaments. Die regierende Republikanische Partei solle sich nicht täuschen und die "Nachsicht des Volkes mit Schwäche verwechseln", sagte Paschinian vor den Abgeordneten in Eriwan.

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