Arbeitskampf mit Trillerpfeife und Rosenkranz

Massenkundgebungen gegen polnische Regierung: Tusks Regierung wackelt.

Wir sind hierhergekommen, um für ein gerechtes Polen zu beten“ erklärte Jaroslaw Kaczynski am Sonntag auf dem „Hellen Berg“, dem polnischen Nationalheiligtum in Tschenstochau vor einer Menschenmasse. Die versammelte Pilgerschaft um den nationalkonservativen Oppositionspolitiker war der Schlusstakt einer Protestwelle, die sich gegen die Sozialpolitik der Regierung und gegen die Regierung richtete.

Von Mittwoch bis Samstag blockierten Demonstrationszüge der Gewerkschaften sowie linker wie rechter Gruppen Warschau, allein am Samstag skandierten 100.000 Polen gegen die Einführung sogenannte flexibler Beschäftigungsformen, eine Rücknahme des neu eingeführten Rentenalters ab 67, sowie für eine deutlichere Erhöhung des Mindestlohns. Federführend: die Gewerkschaft Solidarnosc, die erstmals seit Jahren wieder die Massen mobilisieren konnte.

Flexible Beschäftigung

Ein Pappbild mit einer langen Nase hängt an roten und weißen Ballons.
Balloons with a paper cut-out of Poland's Prime Minister Donald Tusk is seen during an anti-government protest in central Warsaw September 14, 2013. REUTERS/Kacper Pempel (POLAND - Tags: POLITICS CIVIL UNREST)
Der Konflikt begann, als die Regierung in Gesprächen mit Arbeitnehmervertretern ankündigte, die „flexiblen Beschäftigungsformen“ von vier Monaten auf ein Jahr ausdehnen zu wollen. Nach diesem Modell kann ein Arbeitnehmer gezwungen werden, wochenlang für 12 Stunden täglich zu arbeiten. Laut Regierung, die seit 2007 von der konservativ-liberalen Bürgerplattform (PO) getragen wird, könnten so mehr Menschen beschäftigt werden. Derzeit stagniert die Arbeitslosigkeit bei 13 Prozent. Der Mindeslohn liegt bei umgerechnet 377 Euro, der Durchschnittslohn bei 904 Euro brutto.

Premier Donald Tusk verweigert sich einem Gespräch mit den Massen, da Solidarnosc-Chef Piotr Duda im Vorfeld angekündigt hat, die „Regierung stürzen“ zu wollen. Vielleicht droht nicht der Umsturz, wohl aber Neuwahlen. Denn diese Woche trat Jaroslaw Gowin, der interne Erzrivale Donald Tusks, aus der Bürgerplattform aus.

Die Regierungskoalition mit der Bauernpartei PSL hat mit 232 von 460 Stimmen nur noch eine knappe Mehrheit. Sollte der konservative Gowin, der gerade an einer eigenen Partei tüftelt, ehemalige Parteifreunde mit ins Boot holen, müsste Tusk mit einer Minderheit regieren.

Vorbild Viktor Orban

Ex-Premier Jaroslaw Kaczysnki schwimmt derzeit obenauf. In Umfragen hat seine Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) die Bürgerplattform (PO) mit 30 Prozent klar abgehängt. Anders als Gowin verspricht Kaczynski eine Steuererhöhung für Spitzenverdiener und mehr Sozialleistungen. Sollte er gewinnen, wird Polen wie schon unter seinem Regiment 2005 bis 2007 weniger demokratisch. Sein Vorbild ist der autoritär regierende Premier Ungarns, Viktor Orban.

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