Amnesty: 70 Jahre nach Menschenrechtsdeklaration "Rückschläge"

Amnesty: 70 Jahre nach Menschenrechtsdeklaration "Rückschläge"
Auch in Europa seien Menschenrechtsverteidiger, Aktivisten, Medien und Oppositionelle drangsaliert worden.

70 Jahre nach der Unterzeichnung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist nach Ansicht von Amnesty ein weiter Weg zurückgelegt worden. Dem Ziel einer Welt, in der alle Menschen frei sind und die gleichen Rechte haben, sei man seit 1948 ein Stück nähergekommen. "Zugleich passieren immer wieder Rückschläge", sagte Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.

Kriege, Ausgrenzung, ungleiche Ressourcenverteilung und schlechte Regierungsführung seien "nur einige der Gründe, weshalb viele von uns nach wie vor nur eingeschränkten Zugang zu ihren Rechten haben", betonte Schlack.

Situation von Frauen hervorgehoben

Amnesty veröffentlicht am Tag der Menschenrechte einen weltweiten Überblick "Amnesty 2018" (engl. Titel: RightsToday). In dem Bericht wird besonders die Situation von Frauen weltweit hervorgehoben. Außerdem heißt es darin: "In Europa wird der Raum für zivilgesellschaftliches Engagement zunehmend enger."

Frauen und Männer von Irland über Indien bis in den Iran forderten die Selbstbestimmung von Frauen und die Sicherstellung ihrer Menschenrechte ein, steht im Bericht. "Diese Stimmen waren 2018 besonders laut und in allen Teilen der Welt zu hören." Der Amnesty-Report zählt auf: In Indien und Südafrika gingen Tausende auf die Straße, um gegen die weitverbreitete sexualisierte Gewalt zu protestieren. In Saudi-Arabien und im Iran riskierten Aktivistinnen ihre Festnahme, als sie sich dem Fahrverbot und dem Kopftuchzwang widersetzten. In Argentinien, Irland und Polen gab es große Demonstrationen, die sich gegen repressive Gesetze zum Schwangerschaftsabbruch richteten. In den USA, Europa und Japan nahmen erneut Millionen an Demonstrationen teil, die #MeToo-Aktivisten initiiert hatten, um gegen Frauenhass und sexualisierte Gewalt zu protestieren. Im Nordosten Nigerias schlossen sich Tausende geflüchtete Frauen zusammen, die Gewalt durch Boko-Haram-Kämpfer und nigerianische Sicherheitskräfte erlitten hatten, und forderten Gerechtigkeit.

Demonstrationsrecht sei eingeschränkt

Auch in Europa seien 2018 Menschenrechtsverteidiger, Aktivisten, Medien und Oppositionelle von staatlichen Stellen drangsaliert und ohne jeden Grund strafrechtlich verfolgt worden. In Polen werde es immer gefährlicher, sich kritisch zu äußern. Das Demonstrationsrecht sei eingeschränkt, Hunderte friedlich Demonstrierende ohne Grundlage strafrechtlich verfolgt worden, kritisierte Amnesty.

Die ungarische Regierung wiederum treibe einen "Frontalangriff" auf Migranten und Geflüchtete voran, schränke das Demonstrationsrecht ein, stelle Obdachlosigkeit unter Strafe und führe Gesetze ein, die die Strafverfolgung von Flüchtlingshelfern ermöglichten. "Die menschenrechtliche Situation in Polen und Ungarn hat sich 2018 verschärft", sagte Schlack in einer Aussendung. "Stimmen der Zivilgesellschaft in unseren Nachbarländern werden unterdrückt, engagierte Bürger*innen werden bedroht und eingeschüchtert. Damit gefährden die Regierungen Orbán und Kaczyński den sozialen Frieden im Land."

"Es muss mehr getan werden"

Die Einleitung der Grundrechtsverfahren (Artikel 7) gegen Ungarn und Polen durch EU-Kommission und Europäisches Parlament wertet Amnesty positiv. Ebenso, dass die EU finanzielle Mittel bereitstellte, um Menschenrechtsaktivisten in bestimmten Ländern zu unterstützen und zu schützen. "Trotzdem muss in ganz Europa mehr getan werden", sagte Schlack. Die EU-Regierungen sollten den kommenden EU-Rat dazu nutzen, das Artikel-7-Verfahren weiter voranzutreiben, forderte Amnesty.

Die Menschenrechtsorganisation kritisiert außerdem: "Überall auf der Welt" kriminalisierten Regierungen den Einsatz von Bürgern und Organisationen, die sich für die Rechte von Migranten und Menschen auf der Flucht einsetzen. "Darunter fallen etwa die Beschlagnahmung von Schiffen, die im Mittelmeer Such- und Rettungseinsätze unternehmen, die Anklage von Flüchtlingshelfern in Frankreich und in der Schweiz oder die Festnahme einer Journalistin, die Verstößen der australischen Regierung gegen Geflüchtete auf Nauru nachging."

"Regierungen kommen weltweit ihrer menschenrechtlichen Verantwortung nicht nach", sagte Schlack. In dieser zunehmend "feindseligen" Welt sei der Einsatz und die Solidarität von Gemeinden und Einzelpersonen umso wichtiger. "Regierungen sollten sich am Engagement ihrer Bürger ein Beispiel nehmen - anstatt sie zu bedrohen und gegen sie vorzugehen."

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