Ägypten: Ex-Präsident Mursi nach Gerichtsanhörung gestorben

Ägypten: Ex-Präsident Mursi nach Gerichtsanhörung gestorben
67-Jähriger bei Gerichtsanhörung zusammengebrochen. Amnesty fordert Untersuchung. Muslimbrüder sprechen von "Mord."

Der frühere ägyptische Präsident Mohammed Mursi ist tot. Der ehemalige Staatschef sei am Montag während eines Prozesses gegen ihn ohnmächtig geworden und gestorben, berichtete das ägyptische Staatsfernsehen. Aus Angst vor Protesten von Anhängern Mursis erhöhte das ägyptische Innenministerium die Alarmbereitschaft.

 Mursi wurde 67 Jahre alt. Die genaue Todesursache war zunächst unbekannt. Mursi habe bei der Gerichtsanhörung am Montag 20 Minuten lang vor dem Richter gesprochen, sagte ein Justizvertreter. Dabei habe er sich sehr aufgeregt und sei in Ohnmacht gefallen. Der Ex-Präsident sei schnell ins Krankenhaus gebracht worden.

Die Muslimbruderschaft bezeichnet den plötzlichen Tod Mursis als "Mord". Die islamistische Bewegung rief die Ägypter auf, sich zu einem Massenbegräbnis zu versammeln.

Amnesty fordert "transparente Untersuchung"

Amnesty International fordert eine Untersuchung des plötzlichen Todes von Ex-Präsident Mohammen Mursi. "Wir fordern die ägyptischen Behörden auf, eine unparteiische, gründliche und transparente Untersuchung der Umstände von Mursis Tod durchzuführen, einschließlich seiner Einzelhaft und Isolation von der Außenwelt."

2012 gewählt, 2013 gestürzt

Der Islamist war im Juni 2012 als erster frei gewählter Präsident des nordafrikanischen Landes an die Macht gekommen. Er wurde damals Nachfolger von Langzeitherrscher Hosni Mubarak, der im Februar 2011 nach Massenprotesten des Arabischen Frühlings vor allem auf dem Kairoer Tahrir-Platz abtreten musste. Mursi Amtsübernahme verband sich mit der Hoffnung, dass Ägypten nach Jahrzehnten der autoritären Herrschaft der Übergang in die Demokratie gelingen könnte. Diese Hoffnungen wurden jedoch - wie auch in anderen Ländern der arabischen Welt - bitter enttäuscht.

Mursi gehörte lange den islamistischen Muslimbrüdern an, die von vielen in Ägypten misstrauisch beobachtet werden. Während seiner Herrschaft kam es immer wieder zu Demonstrationen, aus denen im Sommer 2013 Massenproteste gegen den damaligen Präsidenten wurden. Seine Kritiker warfen ihm vor, die Interessen der Muslimbrüder an die erste Stelle zu setzen und eine religiöse Herrschaft errichten zu wollen.

Am 3. Juli 2013 griff das Militär unter Führung des heutigen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi ein. Nach einem Ultimatum setzte es Mursi bei einem Putsch ab und übernahm selbst die Macht am Nil. Proteste gegen den Sturz des islamistischen Staatsoberhauptes ließ die Armeeführung blutig niederschlagen.

Mursis Präsidentschaft war geprägt von Konflikten mit dem Militär, mit der Justiz und mit der Revolutionsjugend, die die Revolte gegen Mubarak getragen hatte. Er selbst strahlte wenig Charisma aus und galt als treuer Bürokrat der Muslimbrüder. Mursi schaffte es vor allem nicht, Vertrauen zu nicht-islamistischen Gruppen aufzubauen. Diese lehnten eine Zusammenarbeit mit ihm ab, obwohl ihn viele 2012 in der Stichwahl um das Präsidentenamt unterstützt hatten.

Gleichzeitig arbeiteten aber auch viele Staatsorgane gegen ihn und versuchten, seine Herrschaft zu untergraben. Vor allem in der Justiz traf er auf starken Widerstand. Die Richter legten aus Protest zeitweise ihre Arbeit nieder. Anhänger der Islamisten sprachen von alten Seilschaften aus Zeiten der Mubarak-Herrschaft. Mursi entließ zwar im August den Armeechef und Verteidigungsminister Mohammed Hussein Tantawi sowie den Generalstabschef Sami Anan, konnte aber das Militär, den eigentlichen Herrscher Ägyptens, nicht entmachten.

Karriere eines Muslimsbruders

Mursis Karriere war typisch für die eines Muslimbruders. Er wurde 1951 in einem Dorf der Provinz Sharkiyah als Sohn eines Bauern geboren. Einen Teil seiner akademischen Laufbahn absolvierte er in den USA. Als Maschinenbau-Ingenieur gelang ihm ein sozialer Aufstieg. 2012 trat er für die Muslimbrüder jedoch nur als Ersatzkandidat an, weil die Wahlkommission den eigentlichen Favoriten der Organisation aus formalen Gründen von der Wahl ausgeschlossen hatte.

Seine Anhänger sahen in ihm bis zu seinem Tod den rechtmäßigen Präsidenten des Landes. Sein Sturz nach dem Putsch symbolisiert auch den Niedergang der Muslimbrüder. Mursi wurde Dauergast als Angeklagter vor Gericht und mehrfach zu langen Haftstrafen verurteilt. Vorgeworfen wurde ihm unter anderem die Tötung von Demonstranten bei Protesten gegen ihn und angebliche Spionage für Katar, den Iran und die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas. Wegen eines Gefängnisausbruchs erhielt er zunächst sogar die Todesstrafe, die später jedoch in eine langjährige Haftstrafe umgewandelt wurde. Bis zu seinem Tod saß Mursi im Gefängnis.

Wie ihm erging es vielen Muslimbrüdern. Unter Führung des autoritären Herrschers Al-Sisi stufte die Regierung die Muslimbrüder als Terrororganisation ein und verfolgt sie bis heute mit harter Hand. Tausende Anhänger der Islamisten sitzen im Gefängnis, viele wurden trotz internationalen Protests zum Tode verurteilt. Hunderte weitere Anhänger der seit Dezember 2013 verbotenen Muslimbruderschaft wurden bei Einsätzen der Sicherheitskräfte getötet.

Internationale Reaktionen: "Märtyrer"

Als einer der ersten internationalen Staatsführer kondolierte der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani - ein Verbündeter der Muslimbrüder und Erzfeind der jetzigen ägyptischen Führung. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der enge Beziehungen zu Mursi unterhalten hatte, würdigte den früheren Präsidenten als einen "Märtyrer". Erdogan nannte al-Sisi einen "Tyrannen", der sich an die Macht geputscht habe. Der Westen habe dazu geschwiegen, sagte Erdogan in Istanbul. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte, Mursi sei bei dem Putsch zwar entmachtet worden, "aber die Erinnerung wird nicht ausgelöscht werden".

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