Abgeordnete wollen, dass Johnson Brexit-Sommerpause beendet

Abwarten und Tee trinken gilt nicht mehr
Neuer Premier soll Beratungen über EU-Austritt sofort wieder aufnehmen. Briten hätten lieber No-Deal als Corbyn als Premier.

Mehr als hundert Abgeordnete fordern den britischen Premier Boris Johnson am Sonntag auf, das Parlament sofort für Brexit-Beratungen aus der Sommerpause zurückzurufen. "Unser Land steht am Rand einer Wirtschaftskrise, da wir auf einen Brexit ohne Abkommen zurasen", so in einem Brief der Abgeordneten. "Wir stehen vor einem nationalen Notstand und das Parlament muss jetzt zurückgerufen werden."

Das britische Parlament kommt eigentlich erst am 3. September aus der Sommerpause zurück. Danach wird es noch einmal eine Sitzungspause geben: In der Parlamentspause im September halten die britischen Parteien traditionell ihre Jahresparteitage ab. Die Abgeordneten fordern nun, das Parlament sofort wieder einzubestellen und bis zum Austrittsdatum am 31. Oktober keine Sitzungspause mehr einzulegen.

Brexit am Parlament vorbei?

Johnson hat angekündigt, Großbritannien bis zum 31. Oktober aus der EU zu führen - notfalls auch ohne Abkommen mit der EU. Zahlreiche Unterhaus-Abgeordnete wollen einen No-Deal-Brexit aber verhindern. Das Parlament hatte das von Johnsons Vorgängerin Theresa May mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen drei Mal durchfallen lassen, gleichzeitig aber auch gegen einen Brexit ohne Abkommen gestimmt.

Während seiner Bewerbung um den Tory-Parteivorsitz hatte Johnson daher eine Auflösung des Unterhauses nicht ausgeschlossen, um einen ungeregelten Brexit notfalls am Parlament vorbei durchzusetzen.

Briten: Lieber No-Deal als Corbyn

Fast jeder zweite Brite würde sich einer Umfrage zufolge lieber für einen ungeregelten Brexit entscheiden, als dass Labour-Chef Jeremy Corbyn ein Übergangspremier wird, sollte Johnson durch ein Misstrauensvotum gestürzt werden.

Nur ein Drittel der Befragten (35 Prozent) sprach sich für Corbyn aus, der eine Revolte mit allen Oppositionsparteien und Tory-Rebellen gegen Premierminister Boris Johnson anzetteln will.
48 Prozent würden der YouGov-Umfrage zufolge einen EU-Austritt ohne Abkommen bevorzugen. 17 Prozent der insgesamt 1968 Befragten waren sich unschlüssig.

Dokument warnt vor Engpässen

Kritiker eines ungeregelten Brexits fürchten schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für Großbritannien. Auch die britische Regierung selbst rechnet einem Medienbericht zufolge mit Engpässen bei Lebensmitteln, Benzin und Medikamenten. Die "Sunday Times" berichtete unter Berufung auf ein Regierungsdokument, bei einem No-Deal-Brexit drohe zudem ein Chaos an den Häfen. Auch eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland sei wahrscheinlich.

Das Dokument wurde dem Bericht zufolge in diesem Monat vom Cabinet Office zusammengestellt, das die Arbeit des Premierministers und der Regierung unterstützt. Es listet demnach keine Worst-Case-Szenarien auf, sondern die wahrscheinlichen Auswirkungen eines ungeregelten EU-Austritts. Neben den Versorgungsengpässen wird demnach auch mit steigenden Preisen gerechnet.

Johnson trifft Merkel und Macron

Und was macht Johnson? Der britische Premierminister wird jedenfalls am kommenden Mittwoch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in Berlin treffen. Das bestätigte eine britische Regierungssprecherin am Sonntag. Am Donnerstag sei ein Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron geplant. 

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