Atomkonflikt: Israel rechnet mit 30-tägigem Krieg

Atomkonflikt: Israel rechnet mit 30-tägigem Krieg
Die israelische Regierung rüstet sich für einen Schlag gegen den Iran. Der Verteidigungsminister rechnet mit etwa 500 toten Israelis.

Jeden Tag beschwören die israelischen Medien einen möglichen Krieg gegen den Iran herauf. Doch ein solcher Konflikt würde die israelische Wirtschaft, deren Wachstum sich ohnehin stark verlangsamt hat, teuer zu stehen kommen. "Ein Angriff gegen den Iran hätte schwere Auswirkungen, aber wir sind bereit, die Folgen und Probleme einer solchen Initiative zu schultern", sagte Zentralbankchef Stanley Fischer unlängst.

Und die israelische Regierung geht davon aus, dass ein Angriff auf die iranischen Atomanlagen in einen einmonatigen Konflikt münden würde. "Die Analysen deuten auf einen Krieg an mehreren Fronten hin, der 30 Tage dauern würde", sagte Zivilschutz-Minister Matan Vilani der Zeitung Maariv (Mittwochausgabe). Er bestätigte die Einschätzung von Verteidigungsminister Ehud Barak, dass etwa 500 Israelis sterben dürften, wenn jeden Tag Hunderte Raketen auf die Städte des Landes niedergingen. "Es gibt keinen Anlass zur Hysterie", sagte Vilani. Der Zivilschutz sei so gut vorbereitet wie nie zuvor.

Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und Barak befürworten einem Zeitungsbericht vom Freitag zufolge einen Schlag gegen den Iran noch vor der US-Präsidentenwahl im November. Allerdings fehle beiden Politikern dazu die entscheidende Unterstützung sowohl im Militär als auch im Sicherheitskabinett. Im Falle eines Angriffs drohen Vergeltungsangriffe mit Raketen aus dem Iran, von Islamisten in den Palästinenser-Gebieten und von der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon. Es wird davon ausgegangen, dass die Palästinenser im Gaza-Streifen über 10.000 und die Hisbollah über 50.000 Raketen verfügen, die auch Tel Aviv erreichen könnten. Der israelische Raketenschild dürfte ein Teil abwehren.

"Der Iran ist das Problem der ganzen Welt"

Experten diskutieren indes, ob die israelische Bevölkerung psychologisch zu einem Krieg bereit sei. Zwar wären 500 Tote nicht mit den Verlusten im Unabhängigkeitskrieg von 1948 vergleichbar, bei dem etwa ein Prozent der Bevölkerung starb. Auch bei den Konflikten 1967 und 1973 waren die Totenzahlen höher. Der Militärhistoriker Martin van Creveld bezweifelt jedoch den Durchhaltewillen. Es sei fraglich, ob die israelische Bevölkerung bereit sei, den Preis für einen solchen Krieg zu zahlen. Unter Anspielung auf die Islamisten im Libanon und den Palästinenser-Gebieten sagte er: "Mehr als 20 Jahre des Kämpfens gegen die Schwachen haben in Israel eine widerliche Mischung von Aggression und Selbstmitleid hervorgebracht."

Der ehemalige israelische Luftwaffenchef David Ivry, der den Angriff auf den irakischen Atomreaktor 1981 geplant hatte, weist die Bedenken zurück. "Wenn das Land entscheidet, dass die nationale Sicherheit auf dem Spiel steht, dann wird der Preis gezahlt." Für den Schriftsteller Amos Oz ist der Rückhalt in der Bevölkerung davon abhängig, ob der Konflikt als unbedingt notwendig gesehen werde. "Es kommt darauf an, ob es Krieg ohne Alternative ist oder ein Wahl-Krieg", sagte er. Einen israelischen Angriff auf den Iran halte er für einen Fehler: "Der Iran ist das Problem der ganzen Welt."

USA: Hoffen auf diplomatische Lösung

US-Verteidigungsminister Leon Panetta äußerte am Dienstag die Hoffnung, das es noch Spielraum für eine diplomatische Lösung gebe.

Mit Blick auf die Führung in Israel meinte Panetta vor Journalisten in Washington: "Ich glaube nicht, dass sie die Entscheidung, ob sie den Iran angreifen oder nicht, gefällt haben." Allerdings fügte Panetta hinzu, Israel sei ein souveräner Staat, der letztlich in Sachen nationaler Sicherheit eigene Entscheidungen treffe.

Generalstabschef Martin Dempsey bekräftigte seine Haltung, ein israelischer Angriff könnte das iranische Atomprogramm zwar verzögern, nicht aber völlig zerschlagen.

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