An "Wowi" kommt keiner vorbei

Klaus Wowereit ist die beherrschende Figur der Berliner Politik. Nie zeigte sich das so wie in diesem Wahlkampf. Das legendäre Selbstbewusstsein des seit 10 Jahren regierenden SPD-Bürgermeisters prägte nicht nur seine Auftritte, sondern auch die Reaktion der Gegner. An "Wowi" kommt keiner vorbei.
Mit der Mischung aus gelebter Lässigkeit unter Freunden und betonter Wurschtigkeit gegenüber Gegnern und manchmal auch dem Amt hat er sein Image geprägt. Außerhalb Berlins gilt er noch als "Regierender Partymeister", der Champagner aus Stöckelschuhen schlürfte und sein "Ich bin schwul und das ist gut so" zum geflügelten Wort machte. In Berlin selbst hat er das Image bewusst ab- und Seriosität aufgebaut. Was deftige Sprüche nicht ausschließt, die vor allem seine Gegner zu spüren bekommen. So schwebt Wowereit über dem kommunalen Parteiengezänk der größten deutschen Stadt mit ihren 3,5 Millionen bunt gemischten Bürgern.
Rivalin

Das bekam auch seine Herausforderin, die grüne Fraktionschefin im Bundestag, Renate Künast, rasch zu spüren. Auf dem Höhepunkt der Grünen-Euphorie nach Fukushima und deren Sieg im einst tiefschwarzen Baden-Württemberg brachte das Energiebündel Wind in den Vorwahlkampf.
Seither ist er präsent und kämpferisch wie lange nicht. Inhaltlich ließ sich der Regierende Bürgermeister (Amtstitel) kaum auf Diskussionen ein: "Die Stadt verstehen", war Hauptslogan seiner Kampagne, die Plakate zeigten zuletzt nur ihn und sonst nichts. Die Taktik scheint aufzugehen: Seine SPD legt leicht auf 32 Prozent in den Umfragen zu und ist mit Abstand am stärksten. Die Rivalin hat Wowereit deklassiert: In Umfragen stürzt Künast vom Gleichstand kurz nach ihrer Kampfansage auf 18 Prozent.
Sie habe ein Glaubwürdigkeitsdefizit, so die Lokalpresse: Bei ihren gebremsten Angriffen auf Wowereit lag sie oft sachlich falsch, und dass sie nach der Niederlage in der Bundespolitik bleibt, hilft ihr auch nicht. Vor allem aber gelingt es ihr nicht, das Image der zuletzt sich bürgerlich-mittig gebenden Bundes-Grünen mit dem der in
Berlin immer noch weit links stehenden Basis zu verbinden. Zuletzt kostet die neue "Piratenpartei" wohl den Grünen am meisten Stimmen.
Genauso gedämpft sind die Hoffnungen der kommunistischen "Linken", des Koalitionspartners Wowereits. Der pragmatische Kurs der Berliner Genossen scheint in den Hochburgen der alten DDR-Funktionäre im Berliner Osten nicht mehr so anzukommen. Für die Fortsetzung der Koalition werden die Stimmen wohl nicht reichen, sagen die Umfragen.
Defizite
Unsicherer als über die "Linke" sind die Demoskopen über die Chancen der
CDU. Eigentlich hätte ihr Spitzenkandidat Frank Henkel die seit ihrem Machtabschied 2001 lange total zerstrittene Partei geordnet und einen guten Wahlkampf geführt. Keiner sprach so effizient die Defizite von Wowereits Bilanz an: Die Schulden der Stadt wuchsen unter ihm von 40 auf 63 Milliarden Euro, die Kriminalität liegt noch immer weit über und die Pisa-Tests weit unter denen vergleichbarer Städte. Und Henkel fragte demonstrativ auf seinen Plakaten: "Muss Berlin die 500 abgefackelten Autos verstehen?"
Doch Henkel und seiner CDU droht in letzter Minute ein herber Dämpfer: Plötzlich spielt die Bundespolitik noch stärker als bisher in die Berlin Wahl. Die Euro-Rettung ist auch bei den Kommunalpolitikern ein großes Thema und die Mutterpartei in einer Krise: 82 Prozent der Deutschen missbilligen laut letzter Umfrage die Politik von Kanzlerin Merkel. Das dürfte auch der Berliner CDU schaden.
Schwenk
Die
FDP hingegen wittert seit Freitag Morgenluft: Seit Parteichef Rösler am Montag die Griechenland-Rettung um jeden Preis in Frage stellte, steigen plötzlich ihre Werte wieder. Bisher lag sie zwischen zwei und drei Prozent und hatte die Hoffnung auf den Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus schon aufgegeben. Am Freitag gab es Meldungen, sie sei wieder an der Fünf-Prozent-Hürde und habe damit doch Chancen, drinzubleiben.
Und das macht die Berlin-Wahl jetzt plötzlich auch bundespolitisch so spannend: Sollte sich morgen das Vorstoßen der geschlossenen FDP-Spitze in die bisher von allen Parteien unbesetzte Marktlücke der Euro-Rettungs-Skeptiker auszahlen, könnte die FDP auch in der Bundeskoalition diesen Schwenk verstärken. Das aber brächte eine noch stärkere Gefährdung der Koalition von Bundeskanzlerin Merkel. Ohnehin gilt deren Statik derzeit so fragil wie die der rot-grünen Regierung Schröder am Ende ihrer Amtszeit.
Bisher war die einzige bundespolitische Komponente der Berliner Wahl Wowereit gewesen: Würde er nach dem erwarteten Sieg und dem folgenden Schwenk zu Rot-Grün Kanzlerkandidat der SPD-Linken für das nächste Rot-Grün im Bund werden wollen? Er winkte cool ab, ausdrücklich dementiert hat er nicht.
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