Altbischof: Verheiratete Priester zulassen

Altbischof: Verheiratete Priester zulassen
Interview mit Helmut Krätzl: Der Ex-Weihbischof hat Rom vergeblich vor Groer und Krenn gewarnt. Er will jetzt Pfarrer mit Ehefrau und Zweitjob.

Helmut Krätzl galt als der logische Nachfolger für Kardinal Franz König. Doch der Weihbischof war dem Vatikan viel zu fortschrittlich. Es kamen Groer und Krenn und mit ihnen die große Kirchenkrise. Krätzl wurde vor Kurzem 80 Jahre alt und lässt im KURIER-Interview mit neuen Ideen für eine moderne Kirche aufhorchen.

KURIER: Die Pfarrerinitiative von Helmut Schüller ruft zum Ungehorsam auf. Ist das der richtige Weg?
Helmut Krätzl: Ich mache Helmut Schüller und seiner Gruppe zwei Vorwürfe: Sie hätten nicht zum Ungehorsam aufrufen sollen, sondern zu größerer Eigenverantwortung. Das klingt nobler. Und sie sollten die Weihe der Frau zum Priestertum nicht gleichwertig mit allen anderen Wünschen vertreten. Das Thema Frauenweihe ist in Rom festgefahren. Durch die Verquickung besteht die Gefahr, dass auch die anderen Themen untergehen.

Wo sehen Sie akuten Handlungsbedarf?
Besonders wichtig ist mir die Frage der Zulassung der wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten. Da war die Kirche schon viel weiter als heute. Der junge Theologe Joseph Ratzinger hat 1971 vorgeschlagen: Wenn die zweite Bindung so tief wird, dass man gar nicht mehr trennen kann, etwa wenn Kinder da sind, dann ist der Gewissensentscheid des einzelnen vom Priester zu respektieren. Papst Johannes Paul II. hat das anders gesehen, seither ist auch diese Sache festgefahren und viele Seelsorger gehen ihren eigenen Weg.

Der Priestermangel ist groß. Wäre die Abschaffung des Zölibats eine Lösung?
An der Theologischen Fakultät in Wien gibt es über 1000 Studenten. Davon sind mehr als die Hälfte Mädchen, die ja nach dem jetzigen Kirchenrecht nicht geweiht werden können. Aber auch nur ganz wenige Burschen lassen sich weihen. Laut einer Umfrage von Professor Zulehner hängt das bei den meisten mit der
Ehelosigkeit zusammen. Viele wollen auch nicht Priester werden, weil sie nicht wissen, wie sich die Kirche weiterentwickelt.

Wie kommt man zu mehr Priestern?
Ich denke an die vielen ständigen Diakone, die nebenbei ehrenamtlich in der Pfarre wirken. Es wäre ja durchaus denkbar, dass auch Priester nebenamtlich wirken. Ich könnte mir vorstellen, dass etwa ein Religionsprofessor geweiht wird.

Sollte so ein nebenberuflicher Priester verheiratet sein dürfen?
Natürlich, die ständigen Diakone sind auch verheiratet. Es wäre auch zu überlegen, Priester die ihr Amt niederlegen mussten, weil sie zu ihrer Bindung gestanden sind und geheiratet haben, nach einer Zeit der Erprobung wieder einzusetzen. Natürlich kann das der Bischof nicht von sich aus allein machen. Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Bischöfe in Rom dafür einsetzen, dass diese Möglichkeiten geschaffen werden.

Sehen Sie eine Chance, dass Rom hier einlenkt?
Nicht alles müsste für die gesamte Weltkirche geregelt bleiben. Verschiedenes könne man nach Kulturkreisen oder Kontinenten regeln. Die Frage der Ehe oder Ehelosigkeit hat in Europa sicher eine ganz andere Bedeutung, als anderswo. Aber mir kommt vor, der Zentralismus wächst nicht nur von Rom herunter, sondern auch von unten hinauf. Die Bischöfe fühlen sich viel zu wenig mitverantwortlich für die Weltkirche. Man darf natürlich nichts an Rom vorbei tun. Aber nach Rom gehen kann man immer.

Altbischof: Verheiratete Priester zulassen

Sie haben 1987 einen Brief an den Papst geschickt, in dem Sie Kardinal Groer als nicht geeignet bezeichnen und große Enttäuschung über die Ernennung von Bischof Krenn äußern. Der Brief wurde in Ihrem neuen Buch veröffentlicht. Hätten Sie Ihre Kritik nicht damals schon öffentlich machen müssen?
Ich wundere mich heute noch, dass ich so viel Mut hatte. Ich habe mir auch jetzt lange überlegt, ob ich den Brief veröffentlichen soll. Ich will damit dokumentieren, dass nicht immer alle geschwiegen haben und dass man auch jetzt zu manchen Themen nicht schweigen, sondern aus Verantwortung reden soll.

Die Antwort aus Rom kam erst nach vier Monaten und lautete: Der Papst denke an Ihr Anliegen im Gebet. Wie haben Sie sich da gefühlt?
Ich glaube, da braucht man keinen Kommentar dazu abgeben.

Wäre die Kirche in Österreich heute in einer anderen Situation, wenn nicht Groer, sondern ein anderer Wiener Erzbischof geworden wäre?
Ganz sicher. Dass die Amtszeit Groers ein so furchtbares Ende nimmt, konnte man nicht voraussehen. Aber seine Ernennung war ein Zeichen Roms, dass der Kurs von Kardinal König verändert werden sollte. Das hat uns gekränkt. Denn wir, die wir so eng mit König zusammengearbeitet haben, waren Augenzeugen, dass er die Kirche in Österreich zu hohem Ansehen gebracht hat.

Welche Rolle hat die Politik bei den Bischofsernennungen gespielt? Sie erwähnen in Ihrem Buch den ÖVP-Politiker Andreas Khol, der sich nach dem Papstbesuch 1983 "papsttreue" Bischöfe gewünscht hat.
Ich war für die Organisation des Papstbesuches zuständig. Bei der Vorbereitung des Katholikentages wurden schon damals die heißen Eisen angefasst. Da gab es schon Meldungen nach Rom, dass es hier nicht ganz romtreu zugeht - von Politikern und Priestern.

Sind sie überzeugt, dass die Kirche den Menschen dient?
Ja, aber klar ist: Die Kirche muss immer mehr sein. Die Kirche hat wirklich Vertrauen verloren, nicht nur durch die Missbrauchsfälle, sondern weil viele Menschen das Gefühl haben, die Kirche geht an ihren Lebenswirklichkeiten vorbei.

Mehr zum Thema

  • Kommentar

  • Interview

Kommentare