4000 Euro für ein Jahr länger arbeiten

Frühpensionen: Sozialpartner wollen das Antrittsalter nicht mit Sanktionen, sondern mit Belohnungen anheben. Der ÖVP ist das zu wenig.

Das Wetter passte den Präsidenten so gar nicht: Das Thermometer zeigte sechs grad Celsius, es goss aus Kübeln, der Himmel war grau, kurzum: Bad Ischl zeigte sich von seiner garstigen Seite. "In meinem Drehbuch wäre anderes vorgesehen gewesen - zumindest beim Wetter", sagte Christoph Leitl.

Wie jedes Jahr traf Österreichs oberster Wirtschaftskämmerer im Salzkammergut auf die Präsidenten von ÖGB, Landwirtschafts- und Arbeiterkammer, um beim "Bad Ischler Dialog" die Sozialpartnerschaft hochleben zu lassen. Und wie jedes Jahr versuchten die mächtigen Präsidenten, der Bundesregierung für ein drängendes Problem konkrete Lösungen vorzuschlagen.

Diesmal ging's um die Pensionen, oder genauer: Wie schaffen wir es, das tatsächliche Pensionsantrittsalter, das bei etwa 58 Jahren und damit weit unter dem OECD-Schnitt liegt, auf einen vernünftigen Wert anzuheben? An Ideen mangelte es zuletzt ja nicht. Vor allem aus der ÖVP kam die Forderung, man müsse mit Sanktionen arbeiten - etwa, indem man Invaliditätspensionisten den Verlust von Jagd- und Führerschein androht.

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Die Sozialpartner sehen die Sache anders, sie wollen nicht primär strafen, sondern belohnen. Am deutlichsten wird das an ihrer Forderung nach einer "Dienstgeber/Dienstnehmerprämie": Geht's nach Christoph Leitl, Erich Foglar (ÖGB), Herbert Tumpel (AK) und Gerhard Wlodkowski (Landwirtschaftskammer), bekommen Arbeitnehmer fortan ein Prämie, wenn sie trotz bestehendem Pensionsanspruch weiterarbeiten. 2000 Euro für die ersten zwölf Monate, 3000 Euro für die zweiten zwölf, und für ein drittes Jahr sollen 4000 Euro ausgeschüttet werden - an den arbeitswilligen Dienstnehmer wie auch an das Unternehmen.

Was derlei den Staatshaushalt kostet, können die Sozialpartner vorerst nicht sagen. Fest steht für sie jedenfalls, dass insbesondere bei den Invaliditätspensionen dringend etwas getan werden muss - und zwar in allen Altersgruppen. Dazu gehört, dass jene, die in Reha sind und eine freiwillige Ausbildung machen, Lohn-Beihilfen für den Wieder-Einstieg bekommen sollen (Kombi-Lohn-Modell). Befristete Invaliditätspensionen soll es nur in Ausnahmen geben; stattdessen setzen die Sozialpartner auf ein "Rehabilitationsgeld".

Teilpension

Mit 62 soll eine "Teilpension" bei gleichzeitiger Reduktion der Arbeitszeit möglich sein. Und um zu vermeiden, dass Menschen kurz vor der Pension "physisch und psychisch kaputt sind" ( Tumpel), empfehlen die Sozialpartner schon ab dem 35. Lebensjahr regelmäßige Weiterbildung und ab 55 eine jährliche Information, wie hoch der Pensionsanspruch nun wäre. "Die Menschen wissen oft gar nicht, was es sie kostet, wenn sie nur ein, zwei Jahre früher in Pension gehen", sagt Foglar.

Die zuständigen Minister gaben sich - wie auch Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) - weitgehend angetan: Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ), der die Sozialpartner ja um die Vorschläge gebeten hatte, ist "sicher", dass die Maßnahmen einiges taugen. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) lobte zwar die "positiven Ansätze", meinte aber auch, dass man wohl noch einen Zahn zulegen müsste.

So sieht das auch die ÖVP-Spitze. Klubchef Karlheinz Kopf und Parteichef Michael Spindelegger ließen schnell erkennen, dass ihnen die Ideen längst nicht weit genug gehen. "Man wird ambitionierter sein müssen, das ist erst der Anfang einer Diskussion", sagte der ÖVP-Chef trocken, während es draußen schüttete. Jetzt passte das Wetter plötzlich: Es waren trübe Aussichten.

Lob für die neuen Vorschläge

Die Industriellen-Vereinigung (IV) applaudiert dem Sozialpartner-Konsens verhalten. Die Maßnahmen, die die Invaliditätspension eindämmen sollen, werden zwar befürwortet, doch bedauert IV-Präsident Veit Sorger, dass sich die Verhandler nicht auf höhere Abschläge pro Jahr Frühpensionsantritt oder auf ein Abschaffen der Hackler-Regelung verständigt haben.

Die Pensionsexpertin des Wirtschaftsforschungsinstitutes, Christine Mayrhuber, hält den Vorschlag, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer mit einer Prämie für längeres Arbeiten zu belohnen, für einen richtigen Schritt. Das sei für jene Älteren attraktiv, die ihren Job noch haben. Für die, die keinen Job hätten, käme eher die Idee der Teilpension in Frage.

Umsetzen

Die Programme, die dazu dienen sollen, die Invaliditätspension einzudämmen - etwa fit2work - müssen laut Mayrhuber konsequent umgesetzt werden. Am Anfang müsse in diesen Bereich erst investiert werden. Grund: Ehe jemand in Invaliditätspension gehen will, vergingen rund sieben Jahre mit sehr vielen Krankenstandstagen pro Jahr.

ÖVP-Seniorenvertreter Andreas Khol reagierte positiv: "Jene Sozialpartnervorschläge, die auch einer konsequenten Rechnungsüberprüfung standhalten, sollte die Regierung schon zu Jahresbeginn umsetzen."

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