ÖOC schwebt "Stunde null" im österreichischen Sport vor

Ein Mann mit Brille gestikuliert vor einem Mikrofon.
Das mit 20 Millionen Euro Steuergeld dotierte Projekt Rio hat sich noch nicht in der Medaillenbilanz niedergeschlagen. Geht es nach dem ÖOC, soll es für Tokio 2020 ein ähnliches Projekt geben. Noch besser wäre angesichts von komplizierten und intransparenten Strukturen allerdings eine "Stunde null" für den österreichischen Sport, forderte ÖOC-Chef Karl Stoss in Rio de Janeiro.

Das Projekt Rio sei ein guter Anfang, aber nicht mehr. "Der erste wichtige Schritt ist geleistet worden gemeinsam mit dem Sportministerium und der Sporthilfe. Wir haben da aber erst ein kleines Stück des Weges hinter uns gebracht, das größere liegt noch vor uns", erläuterte Stoss. Er wolle das auch als Botschaft verstanden wissen, dass das ÖOC "gerne auch in dieser Konstellation an Tokio 2020 denke und jetzt schon mit der Arbeit beginnen" wolle.

Den zuständigen Sportminister Hans Peter Doskozil bezeichnete er als "reformwillig und reformbereit". Mit Doskozil, der am Wochenende in Rio eingetroffen ist, habe er bereits Gespräche über Fördermöglichkeiten nach den Sommerspielen vereinbart.

Um im internationalen Wettstreit erfolgreicher zu sein, müsse neben der bereits intensivierten Zusammenarbeit von einigen Fachverbänden mit den Olympiazentren noch viel passieren. Noch mehr Trainer-Know-how aus dem In- und Ausland sowie aus Sport- und Ernährungswissenschaft nannte Stoss als wichtige Bausteine. "Da müssen wir noch viel mehr tun. Das müssen wir noch viel mehr aufbrechen."

Stoss hat aber auch radikalere Ideen. "Wenn es nach mir alleine und persönlich geht, dann wäre ich für ein totales Zero-Base-Budgeting. Man beginnt bei der Stunde null und diskutiert zuerst einmal die künftige Sportstrategie, die Österreich verfolgen will, und zwar nicht für die nächsten zwei Jahre, sondern für zehn Jahre", dozierte Stoss. Und das Ganze möglichst unabhängig von der Politik.

Man müsse den Mut haben, den Föderalismus zu reduzieren, die Strukturen aufzubrechen und eine klare Langfriststrategie zu formulieren. "Einfach, transparent, schlank und straight", führte Stoss nötige Bedingungen an. Zu klären sei auch, welche Personen dieses Projekt in die Hand nehmen sollen. Stoss schwebt ein nicht-österreichischer Weg vor. "Bei uns sucht man für jemanden einen Posten und dann wird etwas einzementiert, was wir seit 1945 kennen. Ob das zielführend ist, sei dahingestellt."

Er wolle aber keineswegs "nur ein lästiger Rufer an allen Frontabschnitten" sein, das ÖOC müsse sich auch selbst an der Nase nehmen und auch eigene Verbesserungsmöglichkeiten diskutieren.

Nach Rio sei eine schonungslose Analyse in jeder Hinsicht nötig. Nicht nur, aber vor allem wenn Medaillen ausbleiben sollten. "Gerade negative Ergebnisse wären ja wieder ein konkreter Anlass, noch stärker darüber nachzudenken, ob man nicht doch dieser Idee folgen sollte, sich auf weniger Sportarten zu konzentrieren, die aber intensiver unterstützt werden, um bei der Weltspitze dabei zu sein." Als Beispiel führte er Neuseeland an.

Welche Sportarten gemeint sein könnten, sagte Stoss nicht und blieb allgemein. "Es liegt an uns, welche Konzepte wir erarbeiten, so weit sind wir aber noch nicht." Einerseits gebe es in gewissen Sportarten "junge, unglaubliche Talente", die sich in den letzten Jahren in den Olympiazentren entwickelt hätten. In anderen Sportarten sei man "gar nicht so weit weg von der Weltspitze" und dann gebe es Verbände, "wo man meilenweit weg ist, wenn man die Ergebnisse hier betrachtet".

Teilweise falle Österreich leider gravierend ab. "Da wird man wahrscheinlich nicht rasend viel investieren müssen, weil diesen Abstand aufzuholen, wird sehr, sehr schwierig werden", erläuterte Stoss. Nach Rio soll evaluiert werden, wo Förderungen auf nicht so fruchtbaren Boden gefallen sind. Auch die stärkere Einbindung von Mannschaftssportarten wie Fußball, Handball oder gar Rugby würde Stoss gefallen.

Weniger gut findet er die derzeitige Dachverbandsträgersystem mit einem Wirrwarr an Kompetenzen und Entscheidungsträgern, das anstatt die Sportler Intransparenz und Bürokratie fördere. "Es wäre wichtig, die individuelle Spitzensportförderung in einer Hand zu haben, das macht man nicht mit komplizierten Abrechnungssystemen, da haben wir einen wahnsinnigen Komplexitätsgrad, zum Teil hinken die Abrechnungen ja Jahre hinterher, was ja verheerend ist, das muss auch geändert werden."

Eine Verschmelzung von ÖOC und BSO sei eine Möglichkeit, die aber auch den Breitensport miteinbeziehen würde. "Das ist aber eine andere komplexe Nummer, die man durchaus diskutieren kann", meinte Stoss. Er sieht das ÖOC aber eher nur auf den Spitzensport fokussiert. "Man muss weiter die Möglichkeit haben, auf die einzelnen Athleten einen Zugriff zu haben", sagte Stoss. Dazu müsse man sie aber aus den Verbänden "herauslösen".

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