Wie Autos spielend autonom fahren lernen
Für Fans von Computerspielen stehen die sechs Buchstaben für Qualität. Kaum ein namhafter Geräteanbieter kommt ohne die Grafikkarten von NVIDIA, einem US-Konzern, aus. NVIDIA hatte 1999 mit der Erfindung seines Grafikprozessors (GPU) den Markt für Computerspiele revolutioniert und Parallel-Computing neu definiert.
Inzwischen ist NVIDIA drauf und dran, nach den Spielekonsolen auch die Autos zu erobern. Konkret, die autonom oder hochautomatisiert fahrenden Autos. NVIDIA liefert den Autoherstellern das Hirn und die Software für diese hochkomplexe Tätigkeit, wie NVIDIA-Chef Jensen Huang auf dem GTC-Kongress heuer in München den tausenden teilnehmenden Entwicklern und Managern anschaulich vorführte.
Start Auch wenn derzeit wohl kaum ein Autokunde beim Fahren an NVIDIA denkt, die Beziehung zwischen dem IT-Konzern und der Autoindustrie ist nicht ganz neu. Bereits 2010 wählte etwa Audi den Prozessor von NVIDIA für sein Infotainment-System und zwar für alle Modelle weltweit. Inzwischen steht der NVIDIA-Prozessor auch hinter dem im neuen A8 präsentierten Stau-Piloten, der die Stufe 3 des automatisierten Fahrens einläutet, aber auch in selbstfahrenden Paketfahrzeugen der Deutschen Post und DHL, in zahlreichen Studien und Prototypen von Mercedes, Volvo, Virtual Vehicle (Institut der TU Graz), Tesla, ZF (autonome Kleinbusse für den öffentlichen Verkehr), Toyota und so weiter. Die meisten waren auf dem Kongress in München ausgestellt und oft auch zu „erfahren“. Sie alle haben neben dem NVIDIA-Prozessor eines gemeinsam: Sie sind die Vorboten des autonomen Fahrens.
Durchbruch Laut NVIDIA-Chef Huang trafen sich in den vergangenen Jahren zwei Trends: Das bisher dominierende Mooresche Gesetz (siehe Glossar) in der Computerindustrie, wonach sich alle zwei Jahre die Leistungen der Chips verdoppeln, ist am Ende. „Praktisch gleichzeitig“, so Huang, gelangen entscheidende Durchbrüche auf der Seite der künstlichen Intelligenz und den künstlichen neuronalen Netzwerken, wo Computern beigebracht wird, wie das menschliche Gehirn zu arbeiten, ein Kurz- oder Langzeitgedächtnis zu entwickeln, eigenständige „Gedanken“, sprich, Software, zu schaffen.
Rechenleistung „Das große Handicap“, so Huang, dieses Trainings, „Deep Learning“ genannt, waren die „Tonnen von Daten“, die nötig sind, um dem Computer menschliches Denken beizubringen. Immerhin schafft auch das menschliche Gehirn 10 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde. Einen der entscheidenden Durchbrüche dafür lieferte übrigens der gebürtige Münchner Jürgen Schmidhuber, 54, Professor und Künstler. Er arbeitet noch heute mit NVIDIA zusammen, so Europachef Jaap Zuiderveld.
Für diese Milliarden Transaktionen fehlten die entsprechend leistungsfähigen Rechner – der Grafikprozessor von NVIDIA, vor allem die Verknüpfung mit dem „normalen “ Prozessor des Computers namens „GPU-Computing“ (siehe Glossar), schaffte die Lösung. Die Leistungsfähigkeit wird so vervielfacht, gleichzeitig werden aber der Energie- und Platzbedarf des Rechners stark gesenkt. Er ist auch viel billiger.
Gelungen ist dies in den vergangenen 15 Jahren. „NVIDIA ist weltweit der einzige Konzern dieser Größe, der sich nur mit einem Thema beschäftigt“, so Huang.
Basis Computerspiele seien die „anspruchsvollste Computeranwendung der Welt mit der gleichzeitig größten Anzahl an Kunden.“ Der weltweite Markt ist laut NVIDIA 100 Mrd. Dollar schwer und inzwischen die größte Unterhaltungsbranche der Welt. „Videogames schauen heute nicht nur gut aus, von ihrem Innenleben können auch viele andere Branchen profitieren.“ Mit diesen Hochleistungsprozessoren eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten in der Klimaforschung, Wettervorhersage, Chemie, Medizin etc. Mit NVIDIA-Prozessoren arbeiteten auch die aktuellen Nobelpreisträger der Physik, die die Gravitationswellen erstmals direkt nachwiesen. Albert Einstein beschrieb sie schon vor 100 Jahren, konnte sie aber nie beweisen.
Mit NVIDIA wird aber auch autonomes Fahren viel realistischer. Wofür früher mehrere Rechner im Kofferraum und auf dem Beifahrersitz nötig waren, erledigt nun ein Prozessor in der Größe eines mittelgroßen genormten Postpakets. Aber NVIDIA hat nicht nur die Hardware, sondern liefert auch die Software für Funktionen wie Bildverarbeitung in bisher für unmöglich gehaltener Geschwindigkeit. Gerade die Laserscanner benötigen enorme Rechnerkapazitäten, so Huang.
Er nennt drei Kerntechnologien für autonomes Fahren: Deep Learning, Bildverarbeitung sowie Parallel-Computing. Das ändert das Wertesystem für Autohersteller komplett: Bei autonomen Fahrzeugen werden Software und künstliche Intelligenz 90 % des Wertes ausmachen, wie auch Johann Jungwirth, Digitalchef bei VW, auf dem Kongress sagte.
Pläne Aber NVIDIA will noch viel mehr: Es will auch die Designstudios der Autohersteller revolutionieren, indem vom Fahrzeug bis zu den Personen alles virtualisiert wird. Eine enorme Kostenersparnis für die Autohersteller. Sie versuchen schon seit Längerem, den Bau von Prototypen und Mustern deutlich zu reduzieren. Solche Bemühungen sind umso größer, als die weltweit unterschiedlichen Gesetze und Vorgaben die Vielfalt explodieren lassen. Der neue Porsche Cayenne ist etwa auf 80 Crashnormen optimiert.
Wer jedoch für die von der künstlichen Intelligenz selbst entwickelte Software haftet, ist noch ungeklärt.
Auch für das Testen autonomer Fahrzeuge, das viel aufwendiger als bei aktuellen Autos ist, hat NVIDIA ein Angebot. Mit seiner Software könnten in acht Stunden 300.000 Meilen asphaltierter Straßen in den USA virtuell heruntergespult werden, in zwei Tagen jede asphaltierte Straße der USA. Wobei das nicht reichen wird, wie jüngste Fahrten mit dem Audi A8 zeigten, dessen Navigationssystem auch in dieser Hightech-Variante – das Fahrzeug sieht sich als Vorreiter des automatisierten Fahrens – auf einem Kreisverkehr „einfädelte“ und nicht mehr herausfand. Für das autonome Fahren wird sich da noch einiges ändern müssen.
Vokabular zum Mitreden
Einer der wichtigsten Begriffe von NVIDIA ist „GPU“. NVIDIA machte diese Bezeichnung, eine Abkürzung für „Graphics Processing Unit“, deutsch Grafikprozessor, 1999 einer breiten Öffentlichkeit bekannt, um damit sein Produkt, die GeForce- 256-Serie, zu bewerben. NVIDIA ist neben AMD und Intel heute Hauptproduzent von GPUs.
Einer Revolution gleich kommt „GPU-Computing“, wo Grafikprozessoren (GPUs) benützt werden, um die Rechenleistung von CPUs, der „Central Processing Unit“, kurz Prozessor des Computers, enorm zu erhöhen, zu vervielfachen.
Diese Hochleistungssysteme machen die „Künstliche Intelligenz“ erst möglich. Darunter versteht man, Maschinen mit menschenähnlichen Fähigkeiten und Verhalten auszustat- ten. Das setzt ein maschinelles Trai- ning, Lernen, voraus, auch „Machine Learning“ genannt. Dafür werden die Maschinen, die Rechner mit Unmengen an Daten gefüttert, woraus Algorithmen selbstständig Muster und Regeln entwickeln und darauf aufbauend Entscheidungen treffen. Einen Schritt weiter geht das „Deep Learning“, das die Signalverbindungen innerhalb des menschlichen Gehirns auf einem Computer nachbildet, es schafft sozusagen künstliche neuronale Netze. Dafür sind nochmals deutlich höhere Datenmengen und in der Folge enorm leistungsfähige Rechner nötig, die es bis vor Kurzem nicht in ausreichend kompakter Form gab, um sie etwa platzsparend im Auto unterbringen zu können. Erste Anwendungen gibt es bereits in einigen Autos, wie dem Audi A8 mit dem Staupiloten
Beim „Mooreschen Gesetz“ handelt es sich um kein physikalisches Gesetz, sondern um eine „sich selbst erfüllende Prophezeiung“ von Gordon Moore, wonach sich die Komplexität integrierter Schaltkreise mit minimalen Komponentenkosten regelmäßig verdoppelt, manche sprechen auch von der Verdoppelung der Transistoren pro Flächeneinheit, alle ein bis zwei Jahre. Moore formulierte dieses „Gesetz“ 1956. Laut NVIDIA ist es inzwischen an seine Grenzen gelangt.
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