Alfa Tonale Plug-in-Hybrid im Test: Hat sich das Warten ausgezahlt?

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Wie der Tonale PHEV die Vorgaben des neuen Alfa-Chefs und die Erwartungen der Alfisti in der Praxis erfüllen kann.

Dass der Alfa Romeo Tonale PHEV Q4 nicht gleichzeitig mit den Hybrid-Modellen schon im Vorjahr auf den Markt gekommen ist, lag an den Vorgaben des nach der Stellantis-Fusion vom Konzern geschickten neuen Alfa-Chefs Jean-Phillippe Imparato.

Der wollte sich mit der zunächst vorgesehenen mageren Reichweite im Elektrobetrieb des technisch eng mit dem Jeep Compass verwandten Plug-in-Hybriden nicht zufriedengeben. Weniger als 60 km Normreichweite seien nicht akzeptabel, postulierte Imparato noch bei der Präsentation des Tonale im vergangenen Frühjahr.

Vorgabe an die Entwickler waren über 80 km und zusätzlich noch mehr von der Sportlichkeit, die einen Alfa Romeo im Fahrbetrieb immer schon ausgemacht hat.

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Zumindest der erste Punkt konnte zufriedenstellend gelöst werden. Wie die Praxis mit einem Tonale PHEV Q4 gezeigt hat, sind im normalen Fahrbetrieb realistische 60 km rein elektrischer Reichweite immer drinnen. Passen die Temperaturen und das Fahrprofil, kann man den Tonale auch bis an die 80-km-Grenze heran als reinen Hecktriebler fahren. Zu dem wird er nämlich im E-Betrieb, wenn nur der an der Hinterachse positionierte 90-kW-Elektromotor (120 PS) für Vortrieb sorgt.

Was Vorgabe zwei betrifft, so ist diese schon schwieriger zu erfüllen gewesen. Wie bei keinem Plug-in-Hybriden darf man sich auch beim Alfa Romeo Tonale PHEV Q4 nicht von den puren Leistungsdaten blenden lassen. 280 PS Systemleistung klingen in der Theorie nach mehr, als sie im Großteil der Fahrpraxis liefern können. Nur wenn der 180 PS starke Benziner vorne und der von der 15,5 kWh leistenden Batterie gespeiste E-Motor hinten gleichzeitig im Einsatz sind, steht der volle Schub zur Verfügung. Das versetzt den Top-Tonale - zumal, wenn der Fahrmodus Dynamik gewählt wurde - erst in die Lage, traditionelle Vorstellungen von einem echten Alfa Romeo zu erfüllen.

 

Allradantrieb als Bonus

Dass er durch die Kombi der beiden Motoren der derzeit einzige Tonale mit Allradantrieb ist, darf als systembedingter Bonus für den Winterbetrieb wohlwollend verbucht werden.

Abgesehen davon wird man mit dem ersten Alfa mit Stecker aber nur glücklich werden, wenn man sich von alten Alfa-Traditionen weitgehend verabschiedet. Denn auch dieser Plug-in-Hybrid kommt an der Physik nicht vorbei. Und die diktiert wegen des Batterie- und E-Antrieb-Brimboriums nun einmal das vergleichsweise hohe Gewicht von rund 1,9 bis maximal 2,5 Tonnen, das leichtfüßiger Fahrdynamik entgegensteht.

So wäre es ungerecht, dem Tonale PHEV vorzuwerfen, dass er nicht so bissig am Gas hängt, wie das Alfas früherer Tage getan haben. Allein schon der kalkulierte Gegendruck am Gaspedal sorgt dafür, dass der Vortrieb in Maßen freigegeben wird – und die Verbrauchswerte dafür überschaubar bleiben.

Diese bewegten sich im Test auf der Langstrecke zwischen 7,6 und 7,8 l/100km (Start jeweils mit vollgeladener Batterie für Etappen von 350 bis 400 km). Dank der Möglichkeit, auch im reinen E-Betrieb flott mit dem Verkehr mitzuschwimmen und Autobahntempo zu fahren, wird dieser nie als Selbstzensur empfunden.

 

Gelungene Fahrwerksabstimmung

Bei der Fahrwerksabstimmung ist den Alfa-Leuten angesichts des Gewichts des Tonale PHEV ein eleganter Spagat zwischen Sportlichkeit, Komfort und den Vorgaben durch das hohe Gewicht gelungen. Präzise Spurführung, überschaubare Seitenneigung der Karosserie und ein Abfedern von Fahrbahnunebenheiten und Querrillen, das die Fuhre weder ins Schwanken bringt noch die Bandscheiben der Besatzung allzu sehr belastet, stehen auf der Haben-Seite der Bilanz. An die leichtgängige Lenkung gewöhnt man sich mit der Zeit, auch wenn diese vor allem im Dynamik-Modus durchaus mehr Rückmeldung geben könnte.

Pluspunkte sammelt der Tonale PHEV mit Optik und Bedienbarkeit des Cockpits und erfreulichen Schaltern bzw. Drehrädern für die wichtigsten Funktionen. Ob die optionalen mächtigen Schaltwippen am Lenkrad tatsächlich sein müssen, sei dahingestellt. Um so viel sportlicher lässt sich der Tonale PHEV mit seiner 6-Gang-Automatik damit auch nicht fahren, als dass dadurch aufgewogen würde, dass sie eigentlich immer im Weg stehen, wenn Blinker oder Scheibenwischer betätigt werden müssen.

Aufgeladen wird an der Wallbox je nach deren Leistung in 2,5 bis 3,5 Stunden. Wobei der Test gezeigt hat, dass die letzten paar Prozent bis zur Vollladung nur sehr zäh angeschrieben werden. Dadurch ist die zunächst am Bordcomputer ausgewiesene Ladezeit bis zu 100 % Füllstand der Batterie mit Vorsicht zu genießen. Das kann in der Praxis bis zu einer halben Stunde länger dauern, bis die letzten 2 bis 3 Prozent auch noch drin sind.

Antrieb: Plug-in-Hybrid mit Reihen-4-Zylinder Benziner und E-Motor.
Benziner: 132 kW / 180 PS, maximales Drehmoment 270 Nm bei 1.850 U/min, Abgasklasse EURO 6D-FINAL
E-Motor: 90 kW / 122 PS, maximales Drehmoment 250 Nm, Systemleistung 206 kW / 280 PS
Batterie: Lithium-Ionen mit 306 Volt, Ladekapazität 15,5 kWh, davon nutzbar 12,0 kWh.
6-Gang- Wandler-Automatik, elektr. Allradantrieb, elektronisches Sperrdifferenzial, elektr. Servolenkung.

Fahrwerte: Beschleunigung von 0 - 100 km/h in 6,2 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 206 km/h, Höchstgeschwindigkeit rein elektrisch 135 km/h

Abmessungen: Länge x Breite x Höhe 4.528 x 1.841 x 1.601 mm, Radstand 2,636 mm. Gewicht fahrbereit 1.910 kg, zulässiges Gesamtgewicht 2.470 kg, Anhängelast gebremst / ungebremst 700 / 1.250 kg, Dachlast 50 kg, Kofferraumvolumen 385 - 1.430 l, Tankinhalt 42,5 l.

Verbrauch: Normverbrauch Benzin nach WLTP 1,14 l - 1,45 l /100 km (26 -33 g/km CO2), Stromverbrauch 21,9 24,3 kWh / 100 km, rein elektrische Reichweite 69 - 82 km.
Testverbrauch 7,6 l - 7,8 l /100 km.

Kosten: Grundpreis Alfa Romeo Tonale PHEV Q4 Speciale: 52.500 €, Preis des Testwagens 57.792 €

Fazit

Unterm Strich ist der Alfa Romeo Tonale in der Top-Variante ein Auto für all jene, die eine solide Alternative zum deutschen Dienstwagen-Dreigestirn suchen, das nicht an jeder Ecke parkt und neben Alfa-Flair auch handfeste praktische Details zu bieten hat. Wie etwa sein Alleinstellungsmerkmal, die nur für den Besitzer zugängliche Dokumentation aller Fahrzeugdaten mit NFT-Technologie.

Alfisti der alten Schule, die sich einen röhrenden, bissig am Gas hängenden Alfa mit sportlicher Dynamik erhoffen, sollten um die Plug-in-Hybrid-Version des Tonale jedoch eher einen Bogen machen.

Oder ihre Erwartungen angesichts des Zeitalters der Elektrifizierung hinterfragen.

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