Rolls-Royce Cullinan Black Badge: Die dunkle Seite der Macht
Ja, ein Auto wie der Rolls-Royce Cullinan sorgt bei den Passanten für entsprechende Reaktionen: 1. für den Kopf-Dreh-Effekt, 2. für offene Münder und 3. gezückte Smartphones (wobei 1 und 2 häufig in Kombination auftreten). Das will etwas heißen, zumal wir mit unserem Test-Cullinan in der Gegend von Modena unterwegs sind, der Heimat von exklusiven Autoherstellern wie Ferrari, Lamborghini, Maserati oder Pagani. An diese Art von Gerätschaften ist man offensichtlich gewöhnt. Aber ein Rolls-Royce, noch dazu ein so großer? Nein, das hat man hier nicht alle Tage.
Die kleinen Vehikel der Ortsansässigen umschwirren unseren schwarzen Rolls wie die Fliegen einen schwarzen Bullen auf der Weide. Im Cullinan ist alles, was draußen passiert, irgendwie weiter weg als in einem anderen Auto. Das betrifft andere Fahrzeuge ebenso wie Schlaglöcher. Man sieht sie (also die Schlaglöcher), wie sie unter dem Auto verschwinden, erwartet ein Ruckeln und es passiert nichts. Mit einem Rolls-Royce schwebt man durch die Landschaft – im Cullinan halt noch ein Stockwerk höher als in anderen Modellen der Marke.
Die Automatik kommuniziert mit einem Navigations-Satelliten, der das Geläuf vor einem im Blick hat, und schaltet gegebenenfalls rechtzeitig herunter, wenn man sich einer Kurve nähert. Als Rolls-Royce-Fahrer will man schließlich nicht mit Dingen wie "Gangwechseln" behelligt werden.
Im abgelaufenen Jahr hat man nebenbei bemerkt mit 5.152 verkauften Autos einen neuen Rekord für die Marke geschafft, wobei der Cullinan ein großes Schärflein dazu beigetragen hat und jenes Fahrzeug in der 116-jährigen Geschichte der Marke ist, für das sich die Bestellbücher am schnellsten füllen.
Großes Erstaunen hat bei uns auch die Botschaft eines Rolls-Mitarbeiters ausgelöst, dass das Durchschnittsalter der Kunden bei 42 Jahren liegt, Tendenz eher weiter nach unten gehend. Und weil viele der jungen Kunden doch irgendwie der Hafer sticht, Rolls-Royce hin oder her, gibt es die Briten als so genannte Black Badge Modelle. Das ist so etwas wie die Sport-Linie, aber alles immer noch in Rolls-Royce-Maßstäben, also dezent. Die Spirit-of-Ecstasy-Figur ist dabei beispielsweise in schwarzem Chrom gehalten, so wie weitere Zierteile in diesem Look ausgeführt sind. Dazu bekommt der Black Badge Cullinan auch spezielle 22-Zoll-Felgen.
Der Cullinan, mit dem wir unterwegs sind, ist zufälligerweise schwarz, mit einer gelben Zierlinie, die von Hand aufgemalt wird. Aber Black Badge heißt nicht automatisch schwarze Lackierung. Man kann die Fahrzeuge von Rolls-Royce in 44.000 verschiedenen Farben haben. Das gilt auch für die Black Badge Varianten.
Für einen Rolls fast schon vorwitzig wirken die rot lackierten Bremssättel des Black Badge Cullinan – die ersten derartig eingefärbten Bremsen der britischen Nobelmarke. Stichwort Bremsen (immerhin gilt es hier 2,7 Tonnen zum Stehen zu bringen). Um eine entsprechende Gegenkraft zur Motorisierung zu haben, wurden die Bremsen verstärkt und der Pedalweg des Bremspedals verkürzt. Das fällt unter vertrauensbildende Maßnahmen.
Innen wird der Black Badge durch Applikationen aus Karbon veredelt. Die Herstellung dieser Teile allein dauert 21 Tage. Bereits aus anderen Rolls-Royce-Modellen kennt man den Sternenhimmel im Inneren, der auf Knopfdruck angeknipst wird.
Fahreindrücke
Black Badge bedeutet auch, dass die Fahrdynamik etwas geschärft wurde. Der V12-Motor leistet nunmehr exakt 600 PS, das sind 29 PS mehr als im klassischen “Silver Badge“ Cullinan. Klar, dass der Cullinan beim festen Tritt aufs Gaspedal lossprintet wie ein zorniger Rodeobulle.
Im Vergleich zum normalen Cullinan wurde auch die Lenkung etwas direkter ausgelegt, was uns auf den kurvigen Straßen hinaus Richtung Apennin, einer Strecke, auf der auch Ferrari seine Autos testet, positiv auffällt. Trotzdem, Richtungswechsel machen im Cullinan nicht wirklich süchtig. Auch wenn das Fahrwerk im Rahmen der Black-Badge-Werdung überarbeitet und ein wenig mehr auf Dynamik getrimmt wurde. Wenn 2,7 Tonnen zum Angriffspunkt der Fliehkraft werden, dann lässt sich das auch in einem Rolls-Royce weder abbestellen noch wegschalten.
Wer etwas flotter unterwegs sein möchte, hat noch den Low-Modus zur Verfügung. Das ist eigentlich ein unverschämt kleiner Schalter am Automatikwählhebel, der das macht, was bei anderen Autos mit unübersehbaren roten Knöpfen (oft mit einer karierten Flagge oder so verziert) geregelt wird. In diesem Modus reagiert der Motor noch heftiger beim Tritt aufs Gaspedal und das Getriebe verweilt etwas länger im jeweiligen Gang.
Die ganze Kraft, die das V12-Triebwerk mit Turbounterstützung liefert, ist ohnehin erst ab dem vierten Gang voll angetreten. Das tut Rolls-Royce deswegen, damit bei zu viel an Schmalz nicht irgendwelche Lichter der Regelelektronik aufleuchten – das wäre vulgär, hat uns ein Rolls-Royce-Mitarbeiter erklärt.
Im Cullinan Black Badge verbaut Rolls-Royce auch eine neue, spezielle Abgasanlage, deren Klang "tief und Respekt einflößend" rüberkommen soll. "Basso profundo" nennen die Briten das, uneingedenk dessen, ob man jetzt in Italien oder sonst wo unterwegs ist.
Womit kann einen der Cullinan noch unterhalten? Na z.B. mit einer ausklappbaren Sitzeinheit. Die fährt elektrisch beim Kofferraum aus, wenn man einen Schalter gedrückt hält und klappt zwei Sitze samt Tischchen (für den 5-Uhr-Tee oder sonstige Flüssigkeiten) aus. Dann kann man die Kids beim Rumtollen auf der Wiese, ein Pferderennen oder den Sonnenuntergang über seinen Latifundien betrachten, je nachdem. Und die Kunden, so Rolls-Royce, sind ganz verrückt nach diesem Extra.
Stichwort Kunden. Die meisten Cullinan verkauft man in den USA und in Russland.
Preisfrage
Bleibt noch die Frage nach dem Preis. Der Cullinan als Black Badge kostet 314.500 Euro (wobei noch die entsprechenden Steuern dazu kommen). Das sind fast 50.000 Euro mehr als der „Basis-Cullinan“. Dass man für den Aufpreis allein schon ein recht schönes Mittelklasseauto bekommt, wird die Kunden wenig interessieren. Und neue Felgen für einen Bugatti Veyron kosten genau soviel.
Aber das ist eine andere Geschichte.
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