Nürburgring-Nordschleife: Der Himmel in der grünen Hölle
Die Veranstaltung gibt es schon seit Jahren. Sie hatte früher nur einen anderen Namen. Heute verbirgt sich hinter „Scuderia S7“ eine Firma, die zwei Mal pro Jahr für drei Tage (fürs Fahren eigentlich nur zwei) die Nordschleife des Nürburgrings mit Beschlag belegt und maximal 100 motorsportlich Begeisterten die Möglichkeit gibt, von Instruktoren, zumeist aktive Rennfahrer, die richtige Bewältigung der rund 20,8 km langen Strecke zu lernen oder zu verfeinern.
Nordschleife, das ist das, was Jackie Stewart die „Grüne Hölle“ getauft hat, und vor Zeiten hatte er zweifellos recht: Da gab es an den meisten Stellen der Strecke, die inzwischen zwei Mal umgebaut wurde, noch nicht einmal nennenswerte Leitplanken. Wie die Irren brausten die Fahrer damals mit extrem schmalen Reifen auf engen Bahnen durch die Wälder der Eifel. Platz ist heute immer noch nicht viel, aber immerhin gbt es überall dreistöckige Leitplanken plus fallweise zusätzliche Fangzäune.
Die wichtigsten Streckenteile und ihre Lage finden Sie hier
Die Veranstaltung im Mai verlief kurzweilig. Skoda hatte sich mit rund 15 Autos (in zwei Gruppen) eingebucht, und der Octavia RS (245 PS) machte keine schlechte Figur. Vornehmlich waren da deutsche Fahrer am Werk, in der zweiten Gruppe auch drei Österreicher, wobei einer eigentlich nicht zählt (er gehörte zu Skoda Austria, gab aber trotzdem mächtig Gas).
Nicht unerwartet, war der Parkplatz angefüllt mit echten Boliden, darunter dominierend Porsche 911 (und Abkömmlinge), und da wiederum vor allem 911 GT3 RS. Auch drei Mercedes AMG GTR waren da, die giftgrünen mit dem Haifischgesicht, drei Porsche 911 Turbo S, zwei mutige Golf-Fahrer (R + Clubsport) sowie eine einsame Corvette neben diversen anderen Modellen.
Beim Briefing am Anreisetag konnte ein Blick auf die Besitzer geworfen werden. Viel Ü40 und Ü50, viele Ralph-Lauren-Pullover oder ähnliche Preisklasse. Die meisten, das stellt sich später heraus, waren schon mindestens einmal da, man unterschätze Ü50 mit einem GT3 RS niemals.
Am zweiten Tag stellt sich der Instruktor für die Gruppe C2 ein. Er heißt Torsten Kratz, fährt seit 30 Jahren (wenn nicht länger) Rennen und ist aktuell u.a. in Serie VLN zugange, das bedeutet, er kennt die Nordschleife auswendig. Zudem bewegt er als Leihfahrer auch kräftigere Geräte als einen BMW GT4.
Die Strecke (ein Großteil, nicht alles) ist an diesem Tage in sechs verschiedene, mehrere km lange Sektionen geteilt, die nacheinander von allen Gruppen durchmessen werden. Das ist vielleicht das falsche Wort: Nach einer oder zwei Durchgängen (jeweils in Fahrtrichtung, dann geschlossen im Pulk zurück zum Startpunkt) geht es richtig zur Sache. In der Gruppe herrscht natürlich Überholverbot. Da ist kein Langsamfahren gefragt, hier ist eine Rennstrecke. Für Zartbesaitete ist das nichts. Der Instruktor wacht mit Argusaugen, das Funkgerät in jedem Fahrzeug verliert nie Betriebstemperatur bei all den Hinweisen, Fehlern und manchmal sogar Lob. Torsten redet beinahe ununterbrochen, aber es wird nicht fad.
Das Sektorentraining ist anstrengend und richtige Arbeit. Aber immerhin: vom Großteil der Strecke hat der Teilnehmer jetzt eine Ahnung, wie es richtig gehen könnte.
Der Himmel in der grünen Hölle weint manchmal etwas mehr als anderswo. Das teilt er sich mit dem Himmel über der belgischen Rennstrecke Spa Francorchamps. Vor dem abendlich vorgesehenen freien Fahren (komplette Runden) beginnt es relativ stark zu regnen, weshalb alle Teilnehmer der zwei Skoda-Gruppen Verzicht üben. Freies Fahren gibt es auch am nächsten Tag noch. Da regnet es zwar in der Früh auch, aber das gibt sich.
Interessant am freien Fahren ist vor allem, dass hin und wieder eines von den wilden Sportwagengeräten formatfüllend im Rückspiegel auftaucht. Und wenn es einer giftgrünen AMG GTR ist, kann man darauf wetten, dass er auf Armlänge von einem GT3 verfolgt und bedrängt wird. Das ist offenbar eine Extrasport, sich Rundenzeiten, Gummiteile oder benetzte Ralph-Lauren um die Ohren zu hauen.
Das ist natürlich Quatsch. In Wahrheit kennen sich viele Teilnehmer, es wird hochkonzenteriert gekämpft, aber auch von allen der gemeinsame Geist genossen.
Jetzt fehlt noch eine Taxifahrt (= Mitfahrt) mit Torsten, dem Instruktor. Was macht der, was andere . . . ?
Drei Dinge, die mehr mit seiner Routine als seiner Schnelligkeit zu tun haben, fallen sofort ins Auge.
Erstens: Er fährt eine makellose Linie und gibt daher in Kurven viel früher wieder Gas, als man das selbst tun würde.
Zweitens: Er macht etwas, das einem andere Instruktoren oftmals bei Strafandrohung verbieten wollen – er bremst in die meisten Kurven hinein, anstatt am Einlenkpunkt zu lösen. Was anderswo als verpönt gilt, macht aber hier Sinn. Der Octavia RS baut bei scharfem Anbremsen sehr guten Anpressdruck auf. Diesen teilweise bei einem Fronttriebler in die Kurve mitzunehemen, führt zu noch höherer Lenkpräzision. Den Rest besorgt das elektronische Sperrdifferenzial, das auf Gasbefehl den Wagen von selbst in die Kurve hineindreht.
Und drittens: Der Kerl sieht einfach alles, was die Gruppe so treibt. Der hat keine Rückspiegel, der hat Röntgenaugen nach hinten. Entsprechend gut und sicher sind seine Hinweise auf Fehler.
Eine Fußnote gehört vielleicht noch angefügt: Herr Torsten Kratz fährt beinahe die gesamte Nordschleifenrunde, auch bei Nässe, mit einer Hand! Das bekümmert ihn nicht. Er hat nämlich keine Helmkopfhörer mit Mikro spendiert bekommen, sondern hat ständig in der anderen Hand ein Sprechfunkgerät mit gutem, altem Spiralkabel, um die Funkgeräte der Gruppenmitglieder zu erreichen.
Dass auch der große Routinier seine kleinen Problempunkte hat, gibt Torsten freimütig am abendlichen Buffet zu. „Natürlich gibt es Stellen, wo sich auch ein Rennfahrer noch überwinden muss, in der Mutkurve zum Beispiel“. Das ist eine sehr schnelle Linkskurve zu der echte Sportwagen schon mit einem Mordstender angeflogen kommen. Und dann ist immer die Frage: Gaspedal lupfen oder stehen lassen? Torsten Kratz: "Das ist eben Motorsport“.
Auf der Döttinger Höhe, einer ewig langen Gerade, die gegen Ende hin deutlich ansteigt, befindet sich die Parkplatzausfahrt. Dort ist der beste Punkt, beim freien Fahren die Sportwagen „abzuhören“. Auf dem ersten Platz landeten gleich zwei Boliden: Nichts klingt so grimmig wie der AMG GTR, und nichts so einzigartig wie der 911 Turbo S. So ein Tinnitus oder eine anderer kleiner Gehörschaden wird ja nicht ewig bleiben, oder?
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