Audi RS 6 Avant: So scharf ist die Neuauflage
Normalerweise sind wir Autojournalisten zu Neutralität verpflichtet. Doch als vor mir das Tuch vom neuen Audi RS 6 Avant gezogen wird, schiesst es mir spontan durch den Kopf: "Sch...e, sieht der stark aus!" Denn in Neckarsulm, dem RS-Hauptquartier, hat man pünktlich zum 25-jährigen Jubiläum der RS-Modelle nicht nur sehr viel Leistung in einen Kombi transplantiert, sondern dem RS 6 Avant eine Frontpartie im Stil des A7 verpasst. Hinzu kommen derart fette Stoßfänger, dass in deren Öffnungen locker größere Vögel nisten könnten.
Doch lassen Sie uns dem krassen Kombi lieber sachlich nähern: Mit Ausnahme von Vordertüren, Dach und Heckklappe besteht das Exterieur ausschließlich aus RS-spezifischen Teilen. Die Karosserie des A6 Avant wurde um rund 40 Millimeter je Seite verbreitert, hinzu kommen weit ausgestellte Radhäuser. Die prallen Proportionen werden durch 22-Zoll-Räder verstärkt. Standardmäßig rollt der neue RS 6 Avant auf 21-Zoll-Aluminium-Gussrädern im 10-Speichen-Stern-Design, die mit 275/35-Bereifung bezogen sind.
Die Front des RS 6 Avant ist stark differenziert und eigenständig innerhalb der A6-Baureihe. Neben einer neuen Haube samt Powerdome übernimmt der RS 6 Avant auch die Front-Scheinwerfer aus der A7-Baureihe. Diese sind nicht nur flacher und sportlicher im Ausdruck, sondern bieten auch die Option der "RS-Matrix LED-Laser-Scheinwerfer" mit abgedunkelten Blenden als zusätzliches Alleinstellungsmerkmal des RS 6 Avant in der A6-Familie.
Die dreidimensionale Wabenstruktur innerhalb des Grills ist in Schwarz glänzend gehalten. Der Singleframe-Rahmen sowie der quattro-Schriftzug im Stoßfänger entfallen. Unterhalb der standardmäßigen LED-Scheinwerfer öffnen sich am markant gezeichneten neuen RS-Stoßfänger seitliche Lufteinlässe, die nahezu an die Unterkante der Scheinwerfer heranreichen. Die Designer haben sich dabei an der Front des R8 orientiert. RS-typisch mündet die RS-Abgasanlage auf beiden Seiten in ovalen chromfarbenen Endrohren - wahlweise ist eine RS-Sportabgasanlage mit schwarzen Endrohren verfügbar.
Der Vierliter-Biturbo-V8 im neuen Audi RS 6 Avant liefert 600 PS Leistung und 800 Newtonmeter Drehmoment zwischen 2.100 und 4.500 Touren. In lediglich 3,6 Sekunden gelingt dem High-Performance-Kombi der Spurt von Null auf 100 km/h. Nach 12 Sekunden erreicht der RS 6 Avant 200 km/h. Bei 250 km/h wird der Vortrieb elektronisch begrenzt. Mit optionalem Dynamikpaket läuft der RS-Kombi bis 280 km/h beziehungsweise mit Dynamikpaket plus sogar bis 305 km/h.
Ein wenig sparen soll die geräumige Wuchtbrumme aber trotzdem, wobei das 48 Volt-Hauptbordnetz eine große Rolle spielt. Ein Riemen-Starter-Generator ist das Herzstück des Mildhybrid-Systems (MHEV). Bei leichten Verzögerungen können damit bis zu 12 Kilowatt Leistung zurückgewonnen und in einem separaten Lithium-Ionen-Akku gespeichert werden. Wenn der Fahrer im Geschwindigkeitsbereich zwischen 55 und 160 km/h vom Gas geht, wählt das Antriebsmanagement eine von zwei Optionen: Je nach Fahrsituation und Einstellung rekuperiert der neue RS 6 Avant oder segelt bis zu 40 Sekunden mit ausgeschaltetem Motor. Beim Tritt aufs Gaspedal startet der Riemen-Starter-Generator den Motor wieder. Die MHEV-Technologie erlaubt den Start-Stopp-Betrieb bereits ab 22 km/h Restgeschwindigkeit. Laut Audi lassen sich so im Alltagsbetrieb bis zu 0,8 Liter pro 100 Kilometer Kraftstoff einsparen. Eine Zylinderabschaltung ist als weiterer Effizienz-Baustein an Bord.
Aber keine Angst: Audi verspricht einen sportlich-voluminösen V8-Sound, zumal mit der optionalen RS-Sportabgasanlage inklusive schwarzer Endrohrblenden. Die serienmäßige Achtstufen-tiptronic mit optimierten Schaltzeiten und einer neuen Launch-Control-Funktion gibt die Kräfte des 4.0 TFSI an den permanenten Allradantrieb quattro weiter. Die Antriebskräfte werden im Verhältnis 40:60 über das rein mechanisch arbeitende Mittendifferenzial auf Vorder- und Hinterachse verteilt. Tritt an einem Rad Schlupf auf, gelangt automatisch mehr Antriebsmoment an die Achse mit der besseren Traktion - bis zu 70 Prozent können nach vorn, bis zu 85 Prozent nach hinten fließen.
Beim neuen RS 6 Avant verarbeiten eine jeweils als Fünflenker-Konstruktion ausgeführte Vorder- und Hinterachse die einwirkenden Längs- und Querkräfte getrennt voneinander. Die Lenker bestehen ebenso wie die Hilfsrahmen in weiten Bereichen aus Aluminium. Die Spurweite beträgt 1.668 Millimeter vorn und 1.651 Millimeter hinten. Die serienmäßige Luftfederung RS-adaptive air suspension mit geregelter Dämpfung wurde RS-spezifisch abgestimmt und erlaubt dank neuem Luftfedermodul mit einer um 50 Prozent höheren Federrate erstmals die Höchstgeschwindigkeit von 305 km/h in Verbindung mit dem Dynamikpaket plus. Sie lässt sich in mehreren Modi einstellen und integriert einen automatischen Niveauausgleich. Die Karosserie des neuen RS 6 Avant liegt 20 Millimeter tiefer als bei einem Audi A6 Avant mit Serienfahrwerk, ab Tempo 120 km/h senkt sie sich um weitere 10 Millimeter. Ein Lift-Modus hebt das Fahrzeug bei niedriger Geschwindigkeit um 20 Millimeter an.
Alternativ steht das RS-Sportfahrwerk plus mit Dynamic Ride Control (DRC) zur Wahl. Es arbeitet mit Stahlfedern und dreistufig einstellbaren Dämpfern, die über diagonale Ölleitungen und ein Zentralventil miteinander verbunden sind. Bei schneller Kurvenfahrt wirken die Ventile auf die Ölströmung am Dämpfer des eingefederten kurvenäußeren Vorderrads. Sie verstärken die Abstützung und reduzieren Nick- und Wankbewegungen.
Serienmäßig gibt es im neuen RS 6 Avant die sportlich-direkt übersetzte Progressivlenkung. Optional mit dem Dynamikpaket und Dynamikpaket plus erhält der neue RS 6 Avant eine Dynamik-Allradlenkung. Sie kombiniert die Dynamiklenkung an der Vorderachse, die ein stufenloses Wellgetriebe nutzt, mit einer separaten Hinterachslenkung per Spindeltrieb und Spurstangen. Bei niedriger Geschwindigkeit lenken die Hinterräder bis zu fünf Grad gegensinnig zu den Vorderrädern. Dadurch verkleinert sich der Wendekreis um bis zu einen Meter, im Stadtverkehr und in engen Kehren fährt sich der RS 6 Avant so noch agiler. Bei mittleren und höheren Geschwindigkeiten werden die Hinterräder bis zu zwei Grad gleichsinnig eingeschlagen - das unterstützt die Stabilität besonders beim schnellen Kurswechsel.
Die Sättel der RS-Stahlbremsanlage mit innenbelüfteten gelochten Scheiben (420 Millimeter vorn, 370 Millimeter hinten) sind serienmäßig schwarz lackiert, auf Wunsch in rot. Bei der optionalen RS-Keramikbremse sind die Sättel wahlweise in Grau, Rot oder Blau ausgeführt. Ihre Scheiben haben die Dimension 440 Millimeter (vorn) und 370 Millimeter (hinten). Die neu entwickelte RS-Keramikbremsanlage wiegt insgesamt rund 34 Kilogramm weniger als ihr stählernes Pendant und reduziert somit die ungefederten Massen. Die Elektronische Stabilisierungskontrolle ESC verfügt über einen Sport-Modus oder kann ganz abgeschaltet werden.
Und innen? Klar, vieles stammt aus dem Audi A6 Avant, aber es gibt viele RS-Gimmicks: Mithilfe der Anzeige "RS-Monitor" erhält der Fahrer auf Wunsch im oberen Display einen Überblick über den Temperaturstatus der Antriebskomponenten, die maximalen g-Beschleunigungswerte sowie Informationen über Reifendruck und -temperatur. Im Audi virtual cockpit informieren spezielle RS-Anzeigen über Reifendruck, Drehmoment, Leistung, Motoröltemperatur, Ladedruck, Rundenzeitmessungen, Beschleunigungsmessungen und g-Kräfte. Die Schaltblitz-Darstellung fordert den Fahrer beim Erreichen der Drehzahlgrenze zum Hochschalten auf. Das optionale RS-Head-up-Display bietet ebenfalls einige RS-spezifische Grafikdarstellungen.
Das Platzangebot im Interieur des neuen RS 6 Avant ist gewachsen. Der Gepäckraum hält 565 bis 1680 Liter Volumen bereit, die Durchladebreite zwischen den Radhäusern ist im Vergleich zum Vorgänger um 14 Millimeter auf 1,05 Meter gewachsen. Die im Verhältnis 40:20:40 geteilte Fondsitzanlage lässt sich bequem vom Gepäckraum aus entriegeln und umklappen - die Gepäckraumlänge wächst dadurch auf rund zwei Meter. Die Gepäckraumklappe und die Laderaumabdeckung sind serienmäßig elektrisch angetrieben, auf Wunsch gibt es in Verbindung mit dem optionalen Komfortschlüssel eine Sensorsteuerung per Geste mit dem Fuß. Die optionale, schwenkbare Anhängekupplung (Sie lesen richtig ...) verfügt über eine elektrische Entriegelung. Je nach gewählter Ausstattung unterstützt der kamerabasierte Anhängerassistent den Fahrer beim Rückwärtsfahren und Rangieren mit Anhänger.
Dreizehn verschiedene Farben hält Audi für den neuen RS 6 Avant bereit, darunter die beiden RS-spezifischen Farbtöne Nardograu und Sebringschwarz Kristalleffekt sowie fünf verfügbare Matteffektlackierungen. Die Außenspiegelgehäuse sind standardmäßig in Schwarz ausgeführt, optional auch in Wagenfarbe oder Aluminium matt. Die Optikpakete Aluminium matt, Schwarz und Carbon verändern die senkrecht stehenden Blades, den horizontalen Splitter, die Schweller-Einleger, Dachreling und Fensterschachtleisten sowie die Heckdiffusor-Spange. Die Audi-Ringe und die RS-Schriftzüge vorne und hinten werden auf Wunsch für das Optikpaket schwarz und Carbon ebenfalls in Schwarz glänzend gehalten.
In Deutschland und weiteren europäischen Ländern kommt der neue Audi RS 6 Avant im Laufe des ersten Quartals 2020 in den Handel. Und nicht nur dort: "Erstmals werden wir den RS 6 Avant auch in Nordamerika anbieten", sagt Oliver Hoffmann, Geschäftsführer der Audi Sport GmbH.
Kommentare