Mit dem Siebensitzer durch den Gotthard nach Grado

Blick von oben über die Stadt Grado
Durch den längsten Alpentunnel über die meist fotografierte Raststation zum Sehnsuchts-Strand der Österreicher.

BMW baut seinen 2er Gran Tourer nicht mehr. Obwohl weltweit 200.000 Stück verkauft wurden, was etwa 32 Prozent von allen Tourer-Versionen entspricht, erhielt der 7-Sitzer im Gegensatz zum Active Tourer kein Nachfolgemodell. Aber: Als wir uns mit Kindern, Hund und Dachbox im Siebensitzer Richtung Süden auf den Weg machen merken wir: Wir sind nicht die einzigen, die auf das Raumwunder mit guter Straßenlage setzen. Zur Erinnerung: Der 2er Gran Tourer ist eine gestreckte Variante des 2er Active Tourer. Die Rückbank ist in der Serienausstattung um 13 cm verschieb- und ihre Lehne dreistufig verstellbar.Durch den vergrößerten Radstand wird eine optional erhältliche dritte Sitzreihe für eine 6. und 7. Person ermöglicht, was über 70 Prozent der Kunden wünschten. So wie wird.


Die erste Etappe der Reise bringt als Highlight - oder Herausforderung? - den Gotthard-Straßentunnel. Er ist gefürchtete Staustelle und großer Stolz der Schweiz zugleich: Mit 16,9  Kilometern Länge ist er der längste Strassentunnel der Alpen, weltweit gesehen liegt er auf Platz vier. Legendär sind die Staus, die sich in Ferienzeiten dort bilden. Der längste war 28 Kilometer lang. 
Und da wollen wir durch? Oder mitten hinein? Der Siebensitzer ist zur Sicherheit vollgetankt. Und bis auf den letzten Zentimeter vollgepackt: Kinder, Hund, Hundebox und Koffer, genügend Wasser und Jause passen in den Wagen. Das unvermeidliche Stand-up Paddle und sonstige Strandutensilien müssen in die Dachbox.


Obwohl die kolportierte Staulänge vor dem Gotthard in Zahlen beeindruckend sein mag, wollen wir das „Im-Stau-Stehen“ eigentlich nicht testen. Der Plan daher: Wir fahren an einem Sonntag, Abfahrtszeit vier Uhr morgens, Abfahrtsort nahe dem so idyllisch wie touristenverseuchten Luzern. Das bedeutet: Das Auto muss am Vortag gepackt sein, die Kleider der Kinder bereit liegen und der Hund vor der langen Fahrt noch auf einen ordentlichen Spaziergang. Das erste Weckerläuten wird überhört, aber um Punkt fünf Uhr Früh starten wir den Motor. Das Dieselchen schnurrt, die Kinder sind überraschend aufgedreht, singen und plappern. Die Vorfreude auf den Süden, sie scheint unabhängig von der Tageszeit gute Laune zu machen.


Gemächlich geht es durch die saftig-grüne Landschaft: Auf Schweizer Autobahnen gilt nämlich Tempo 120 und daran hält man sich: Zu empfindlich könnten die hier hohen Tempo-Strafen am Urlaubsbudget knabbern. Auf der A2 ist um diese Uhrzeit noch wenig los, der Vierwaldstättersee glitzert uns an und durch den Urkanton Uri geht es hinauf Richtung Berge. Eine gute Stunde später liegt es vor uns, das  Nordportal bei Göschenen auf 1080 Meter Seehöhe. Und wir stehen - voilà - im Stau.

Mit dem Siebensitzer durch den Gotthard nach Grado

Der gefürchtete Stau am Gotthard, dem längsten Alpentunnel der Welt. Und da wollen wir durch?

Aber nicht lange: Kurze 15 Minuten später geht die Fahrt bereits los. Die Durchfahrt ist - und für die Schweiz ist das wirklich überraschend - gratis. Eine gültige Autobahnvignette braucht man natürlich. Und innen? Schön ist er nicht, der wohl legendärste Auto-Korridor durch die Alpen. Da wäre die Fahrt über den Gotthard-Pass sicher spektakulärer. Aber heiß ist es dafür: 35 Grad zeigt das Thermometer nach nur wenigen Minuten an. Mit Kindern im Auto ist man dankbar, dass die Klimaanlage das ihre tut.


Die Reparaturbedürftigkeit haben nicht nur wir bemerkt. Seit knapp drei Jahren baut man an einer zweiten Röhre, denn der mittlerweile in die Jahre gekommene Tunnel muss saniert werden. In einer ersten Phase, ab 2029, dient die zweite Röhre als Ersatz für den alten Tunnel, der dann für drei Jahre einer Generalrevision unterzogen wird. Danach werden beide Röhren für den Verkehr freigegeben. Es wird allerdings nur je eine Fahrspur pro Richtung dem Verkehr offenstehen, die andere dient als Pannenstreifen. Der Grund: Die Strassenkapazität im Alpengebiet darf nicht erhöht werden. Sicherheit statt Over-Tourismus. Keine schlechte Idee.


Die Unfallstatistik liest sich leider traurig. Bis 2004 gab es fast 900 Unfälle mit 30 Toten, der schlimmste davon 2001, als ein LKW Fahrer betrunken einen Unfall samt Brandkatastrophe auslöste.
Unsere Fahrt verläuft Gott sei Dank ruhig und bald sehen wir das Licht des Südportals bei Airolo. Kaum ist man aus dem Tunnel spürt man: Das ist Süden! Diese Schweiz sieht ganz anders aus, als auf der anderen Seite des Gotthards.
Die Kinder bemerken das nicht. Sie haben mittlerweile die Augen geschlossen. Auch gut, auch wenn die Landschaft sehenswert bleibt. Und so geht es ohne Stop weiter. Den Lago Maggiore lassen wir rechts liegen, den Luganersee überqueren wir auf einer Brücke. Und schon sind wir in Chiasso und es geht über die Grenze: Italien, wir kommen!

Die Autos werden kleiner - die Schweiz ist für Groẞmotoriges bekannt - der Fahrstil dafür schneidiger. Tempolimite, Baustellen - der BMW liegt gut auf der Straße, wie immer, nur die automatische Tempoanzeige ist verwirrt. Denn die „Tempolimit aufgehoben“ Schilder werden hier gerne eingespart. Aber auch das menschliche Auge muss konzentriert bleiben, denn die Bodenkennzeichnungen in den Baustellenbereichen sind - nennen wir es - kreativ. Welche Spur ist jetzt meine?


Bei Mailand wird dann der Durst auf einen ersten, echten Espresso groß. Der nächste Autogrill muss es sein: Und wie so oft landet man gerade dann, wenn man nicht will, an den spannendsten Orten. Wir stoppen, unabsichtlich, bei dem weltberühmten Autogrill Villaresi Ovest.

Aus alt mach falsch: Italiens berühmteste Autobahnraststätte Villoresi Ovest wird rekonstruiert. In der Fachwelt ist die Empörung über den Abriss groß.“ - titelte damals die FAZ, als umgebaut werden sollte. Wir betreten die angeblich meistfotografierte Raststation der Welt eilig und vorerst ohne architektonisches Interesse - die Kinder müssen zur Toilette. Dringend. Aber trotz der Eile hört man von ihnen ein „Wow!“ Sauber, stylisch, luxuriös - da haben sie auf unseren Fahrten bei Pipi-Stops schon ganz anderes erlebt. „Wie in einem schönen Hotel“, lautet das beeindruckte Kinderurteil.

Uns gefällt es auch oben: Dass es „nur“ ein energetisch und bautechnisch auf den neuesten Stand gebrachte Nachbau ist, stört uns weniger. Der 50er Charme gefällt. 
Und der Espresso schmeckt im Autogrill einfach besser als anderswo. Die Croissants sind zart und vor allem die Giambelle ein Gedicht - hier Rast zu machen wird definitiv empfohlen. Dass Hunde erlaubt sind, ist für uns das positive Tüpfelchen auf dem I. Mit genug Zucker und Koffein im Blut geht es auf die letzte Etappe
 

Mit dem Siebensitzer durch den Gotthard nach Grado

Die Dammstraße nach Grado, links und rechts glitzerndes Wasser, ist fahrtmäßig das heimliche Highlight der Reise.

Knapp vier Stunden Fahrt liegen noch vor uns: Das Schild nach Bergamo samt all seiner Assoziationen zieht vorbei, den Gardasee lassen wir links, Venedig rechts liegen. Bei Palamnova ist Schluß mit Autostrada. Die Fenster werden geöffnet, die Platanenallee sorgt für ein wohliges Wiedersehensgefühl im Bauch, der erste Blick auf das Meer für einen Aufschrei des Glücks von der Rückbank. 
Die vier Kilometer über die durch die Lagune führende Dammstraße ist der wohl schönste Teil der Fahrt: Meerduft steigt uns in die Nase und salziger Fahrtwind weht uns um die Haare. Links und rechts glitzert das Wasser. Und vor uns liegt sie da, wie ein Versprechen, das nur auf unser Ankommen wartet: Grado „Isola der Sole“, unsere Sonneninsel.

Mit dem Siebensitzer durch den Gotthard nach Grado

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