Microlino Gründer Merlin Ouboter: "Wir sind kein Auto"

Der Microlino: Eine Hommage an die "Bubble-Cars" der 50er Jahre.
Zusammenfassung
Mit dem Microlino bringt das Schweizer Familienunternehmen Micro ein elektrisches Leichtfahrzeug nach Österreich, das Designnostalgie mit moderner Mobilität verbindet. Der zweisitzige Stromer orientiert sich optisch an der BMW Isetta, will aber mehr sein als ein Retro-Gag: Gründer Merlin Ouboter sieht darin eine ernsthafte Antwort auf überdimensionierte Stadtfahrzeuge.
Mit dem Microlino will das Schweizer Familienunternehmen Micro eine neue Fahrzeugklasse in der Stadt etablieren: klein, elektrisch, charmant. Warum das schwerer ist, als es klingt – und wie sich der Marktstart auch in Österreich entwickelt –, erklärt Mitgründer Merlin Ouboter im Gespräch mit dem KURIER.
Der Microlino ist jetzt auch in Österreich angekommen. In Wien ist er bereits in der „Vorteilsclub der Stadt Wien“-Lackierung zu sehen.
Wir haben mit der Auslieferung gerade erst begonnen – was die Stückzahlen betrifft, stehen wir also noch ganz am Anfang. Die eigentliche Produktion des Microlino startete Ende 2022. Danach wurden die ersten Fahrzeuge in der Schweiz zugelassen. Produziert wird der Microlino übrigens in Turin.
Was ist die Geschichte hinter dem Microlino?
Unsere Wurzeln liegen im Tretrollergeschäft. Mein Vater gründete 1996 die Firma „Micro“. Damals lebte er im Zürcher Stadtteil Seefeld. Der Weg zu seinem Lieblingsbistro war zu lang zum Gehen, aber zu kurz fürs Fahrrad – also suchte er nach einem neuen, dazwischenliegenden Fortbewegungsmittel. So entstand die Idee des Micro-Tretrollers, der zwischen 1999 und 2001 einen riesigen Boom erlebte. In Spitzenzeiten verkauften wir über 80.000 Scooter pro Tag. Auch heute sind die Roller noch unser Hauptgeschäft – wir verkaufen jährlich etwa zwei bis drei Millionen Stück. Der Microlino selbst entstand zunächst als PR-Idee. 2015 wollten wir auf einer Mobilitätsmesse zeigen, was uns in puncto städtischer Mobilität noch alles einfällt. Die Ausgangsfrage lautete: „Wie sieht urbane Mobilität in 10 bis 15 Jahren aus?“ Wir haben dann analysiert, wie Menschen Autos nutzen, und festgestellt, dass 90 Prozent aller Fahrten unter 25 Kilometer lang sind – mit durchschnittlich 1,2 Personen an Bord. Die tägliche Durchschnittsdistanz liegt bei etwa 30 Kilometern. Gleichzeitig gab es damals einen SUV-Boom – die Fahrzeuge wurden also immer größer, obwohl sich die Nutzung kaum verändert hat.

Merlin Ouboter, Co-Gründer des Microlino.
Und genau da setzt der Microlino an?
Genau. Wir haben uns gefragt: Was wäre, wenn man in die entgegengesetzte Richtung geht? Wenn man also ein Auto entwickelt, das kleiner, leichter und auf das Wesentliche reduziert ist – aber den Alltagsbedarf dennoch problemlos abdeckt? So entstand die Idee für den Microlino: ein Fahrzeug mit zwei Sitzen, kompakt und elektrisch – ideal für die Stadt und das tägliche Pendeln.
Wie ist das Design entstanden?
Während des Entwicklungsprozesses haben wir uns in die „Bubble Cars“ der 1950er-Jahre verliebt – insbesondere in die BMW Isetta, die damals das wohl bekannteste Modell war. Sie ist charmant, kompakt und bringt auch heute noch Menschen zum Lächeln. Für uns war sie ein ideales Vorbild.
Seit wann ist der Microlino offiziell auf den Straßen unterwegs?
2016 haben wir den ersten Prototyp auf dem Genfer Autosalon vorgestellt – eigentlich als „Versuch“. Die Resonanz war überwältigend. Innerhalb von zwei Tagen war unsere Reservierungsliste mit 500 Plätzen voll. Mein Bruder und ich konnten schließlich auch unseren Vater überzeugen, mit dem Projekt in die Serienfertigung zu gehen. Nach einer längeren Entwicklungsphase wurden 2022 die ersten Modelle in der Schweiz ausgeliefert. Seitdem haben wir europaweit über 4.500 Fahrzeuge verkauft, davon rund 1.000 allein in der Schweiz.
In welchen Ländern ist der Microlino derzeit erhältlich?
Wir sind aktuell in Mittel- und Westeuropa flächendeckend aktiv. In Ländern wie Tschechien, Polen oder Rumänien arbeiten wir derzeit nur mit einzelnen regionalen Vertriebspartnern zusammen. In Österreich vertreiben wir den Microlino über Partner, die Vertrieb und Service abdecken. In Wien etwa nutzen wir ein Agenturmodell, derzeit in Kooperation mit G-Electric. Über unseren Online-Konfigurator kann man den Microlino individuell zusammenstellen, bestellen und direkt beim Partner abholen. Bisher wurden in Österreich rund 25 Fahrzeuge zugelassen. Wir planen, unser Vertriebsnetz auf Graz und Vorarlberg auszuweiten. Wenn das gewünschte Modell auf Lager ist, beträgt die Lieferzeit etwa zwei Wochen. Wird es konfiguriert und muss deshalb erst gebaut werden, dauert es drei bis vier Monate.

Die vordere Einstiegstür ist ein Blickfang und ermöglicht einen schnellen Ein- und Ausstieg.
Während alle über urbane Mobilität sprechen, werden Autos immer größer. Wie groß ist also die tatsächliche Akzeptanz für ein kleines Stadtauto?
Tatsächlich hat sich der Markt für Kleinstfahrzeuge seit 2022 – gemessen an den Zulassungszahlen – halbiert. Wir sehen darin aber eine Chance. Ein Grund für diesen Rückgang sind strengere Vorschriften bezüglich Technik und Assistenzsystemen. Diese machen die Produktion teurer – und für Hersteller von Kleinfahrzeugen ist es platztechnisch besonders herausfordernd, dieselben Anforderungen zu erfüllen wie große Hersteller.
Wo genau ordnet sich der Microlino auf dem Fahrzeugmarkt ein?
Der Microlino ist kein klassisches Auto, sondern ein Leichtfahrzeug der L-Kategorie – die reicht vom E-Bike bis hin zu unserem Modell. Wir decken dabei die höchsten Klassen ab: L6e mit bis zu 45 und L7e mit bis zu 90 km/h. Unsere Einstiegsvariante fährt mit 6 kW, das stärkere Modell mit 15 kW. Je nach Batterie schafft der Microlino 90, 177 oder 228 Kilometer Reichweite.
Wie sieht es mit der Sicherheit aus?
Da der Microlino rechtlich kein Pkw ist, gelten für uns andere Sicherheitsvorschriften – etwa keine Pflicht für Airbags oder Crashtests. Dennoch setzen wir auf eine selbsttragende Karosserie, die in mehreren internen Tests sehr gut abgeschnitten hat. In Zukunft wollen wir die Sicherheit weiter erhöhen, ohne das Fahrzeug unnötig zu verteuern.
Würden Sie mit dem Microlino auf der Autobahn fahren?
Ich fahre fast täglich damit auf der Autobahn. Anfangs ist es ungewohnt – man wird eben kaum jemanden überholen –, aber mit der Zeit fühlt man sich sehr wohl damit. Natürlich ist die Autobahn nicht das primäre Einsatzgebiet. Aber man könnte dasselbe auch über große SUVs im dichten Stadtverkehr sagen.
Wer gehört zur klassischen Zielgruppe des Microlino?
Weniger der klassische Innenstadtbewohner, sondern eher Menschen am Stadtrand oder in Vororten – etwa Hausbesitzer mit eigener Lademöglichkeit, die regelmäßig in die Stadt pendeln. Viele unserer Kunden nutzen den Microlino als Zweitfahrzeug – einige sogar als einziges Auto.
Wie fährt sich der Microlino?
Für mich fühlt es sich ein bisschen wie Go-Kart-Fahren an – vor allem wegen der kompakten Abmessungen und der straffen Federung. Das Fahrzeug lässt sich sehr direkt steuern und ist agil unterwegs. Natürlich gibt es Einschränkungen beim Komfort – der Platz ist begrenzt, und man sitzt recht eng.
Wie groß ist der Microlino?
Zwei Personen haben auf einer durchgehenden Sitzbank Platz. Dahinter befindet sich ein Kofferraum für Einkäufe oder Kleintiere. Das Fahrzeug ist 2,5 Meter lang und 1,5 Meter breit. Durch die Fronttür ist der Einstieg besonders einfach – und je nach Stadt und Gesetzeslage ist sogar Querparken möglich.
Welche Pläne gibt es für die Zukunft?
Wir entwickeln gerade eine überarbeitete Version mit Klimaanlage – was bei der kompakten Bauweise technisch sehr anspruchsvoll ist. Außerdem ist die „Spiaggina“ bereits erhältlich – eine sommerliche Variante des Microlino. Weitere Modelle sind in Planung, aber dazu kann ich noch nichts verraten.
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