Jaguar Land Rover Classic: So fahren sich die Reborn-Modelle
Denken Sie nicht auch gelegentlich daran? Was wäre, wenn man selbst auf einen Schlag 20 Jahre jünger sein könnte? Oder die Eltern gar 50 Jahre? Leider hat man für uns Menschen noch nicht die Quelle der ewigen Jugend gefunden. Wohl aber für Autos. Im britischen Coventry steht eine. Ihr Name: Jaguar Land Rover Classic. Dort hat man vor geraumer Zeit das Reborn-Programm auf den Weg gebracht. Nomen est omen: Ausgesuchte Oldtimer erleben ihre Wiedergeburt als Neuwagen.
Quellmeister ist Tim Hannig, der Direktor von JLR Classic. Er bezeichnet seinen Bereich als "Firma in der Firma" für den irrationalsten Markt der Welt. Und prägt den schönen unübersetzbaren Satz "We future history". Anders formuliert schenken Hannig und seine über 120 Spezialisten (hinzu kommt noch das neue Classic Center in Essen) alten Autos ein neues Leben.
JLR Classic
Doch der Reihe nach: Zunächst gibt es seitens JLR Classic die normalen Wartungs- und Restaurierungsarbeiten für Kundenautos von Jaguar und Land Rover. Als Klassiker gelten alle Modelle, die zehn Jahre und länger aus der Produktion sind. (Ob das ab 2019 auch für den X-Type gilt?) Ein weiterer Aspekt sind die "Legends Continued", hier hat man neun komplette Jaguar XKSS von 1957 aus dem Nichts neu aufgebaut. Dann gibt es noch ausgefallene Projekte wie den Land Rover Defender Works V8 und den elektrischen Jaguar E-Type Zero.
Und schließlich als weiteres wichtiges Standbein das eingangs erwähnte Reborn-Programm. Hierfür kauft JLR selbst rostarme Fahrzeuge an, um sie dann komplett zu zerlegen. Mindestens 80 Prozent der Substanz sollte wiederverwendbar sein, sagt Tim Hannig. Der Neuaufbau erfolgt anhand von Originalplänen. Sicherheitsrelevante Teile im schlechten Zustand werden durch Neuteile aus dem Classic-Sortiment ersetzt.
Zwar sind die Reborn-Modelle weitaus teurer als ihre normalen Oldtimer-Brüder, dafür haben die solventen Kunden aber erst einmal Ruhe im Karton. Und wie fahren sich die Reborn-Modelle? Ich bekam die Chance, gleich drei verschiedene Fahrzeuge bewegen zu dürfen: Einen Land Rover Serie 1 von 1949, einen Jaguar E-Type Series I Fixed Head Coupé 4.2 von 1965 und einen Range Rover, Baujahr 1978. So fühlt sich vermutlich ein Kind, wenn es im Spielwarenladen eingeschlossen wird.
Gehen wir chronologisch vor: Im sehr frühen Land Rover (die ersten kamen 1948 auf den Markt) wechsele ich freiwillig auf den Beifahrersitz. Kupplung mit Zwischengas und eine sehr rustikale Mechanik plus Linksverkehr erscheinen mir etwas zu riskant. Macht aber nichts, denn auch als Co-Pilot fasziniert der Ur-Landy: Wie ein Steinbock hoppeln wir über schmale Straßen, denn die Schöpfer des Land Rover orientierten sich beim Radstand am Willys MB, dem Urvater des Jeep. Zum Festhalten zieht sich eine Aluminium-Stange quer durch das Cockpit, wobei der Begriff Maschinenraum besser passt.
Durch das weitläufige Stoffdach pfeift der Fahrtwind, hinten ist die Pritsche sowieso offen. Eine Klimaanlage gibt es natürlich nicht. Stattdessen sorgt eine Mischung aus seitlichen Schiebefenstern, Heizlüfter und abklappbarer Frontscheibe für die passende Luftzirkulation. 50 PS aus 1,6 Liter Hubraum geben sich überraschend durchzugsstark (gut für Wald und Feld), aber auch irre laut. Schon ab Tempo 50 müssen wir uns anbrüllen, um überhaupt ein Wort zu verstehen.
E-Type
Deutlich gesitteter, aber ebenfalls sehr faszinierend ist der Jaguar E-Type, hinter dessen großes Holzlenkrad ich mich anschließend fädele. Ein massiver Seitenschweller erfordert diese Gymnastik. Ich blicke auf ein wundervolles Armaturenbrett mit unzähligen Rundinstrumenten, vor mir streckt sich die Motorhaube mit 269 PS aus 4,2 Liter Hubraum als Inhalt gen Horizont. Die britische Zeitschrift Autocar testete 1965 genau solch ein Jaguar E-Type Series I Fixed Head Coupé 4.2: Das Resultat waren 7,6 Sekunden auf Tempo 100 und seinerzeit sagenhafte 246 km/h Spitze. Zurück zu meinem Selbstversuch: Die Pedale stehen eng zusammen, was meinen Puls zunächst beschleunigt. Doch nach fünf Minuten Fahrt kommt es mir vor, als würde ich diesen E-Type schon ewig kennen. Kraftvoll schieben die 384 Newtonmeter an, gleichzeitig mag der Jag auch untertouriges Fahren. Ein bulliger Motor mit einem Klang, der wie eine Delikatesse in Richtung Magen gleitet. Dazu die butterweiche Viergang-Schaltung und das adrett gemachte Navi-Radio im alten Stil. Hier stimmt der Begriff "alter Neuwagen" tatsächlich. Dieser wunderbare Gran Turismo ermuntert geradezu zu erotischen Verbalausschweifungen, doch lassen Sie es mich besser so formulieren: Wer dieses Auto nicht liebt, hat Autos nie geliebt.
Leider hat jede Rose ihre Dornen: Zunächst werden nur zehn Reborn-E-Type gebaut, jeder kostet mindestens 285.000 britische Pfund, rund 320.000 Euro. Fast schon günstig nimmt sich dagegen die erste Zehner-Serie des dreitürigen Range Rover Classic aus: Ab 135.000 Pfund geht es hier los, etwa 150.000 Euro. Ich besteige die in historisch korrektem Bahama-Gold (eher ein Ocker-Gelb) lackierte Nummer 1. Richtig: besteigen. Denn der Range ist eine Art Yacht für die Straße mit riesigen Fensterflächen, rechten Winkeln und enorm viel Platz innen. Glücklicherweise liefert der 3,5-Liter-V8 von Rover mit zwei Zenith-Stromberg-Vergasern viel Drehmoment.
Die schon ab 2.500 Touren verfügbaren 251 Newtonmeter helfen mir dabei, den extrem störrischen zweiten Gang zu überbrücken. Sie haben richtig gelesen: Dieser Range Rover wird manuell geschaltet. Leider mit verdammt langen Wegen: Der dritte Gang liegt sehr weit rechts, in den vierten muss ich den Knüppel etwas links versetzt nach hinten führen. Nun gut, Land Rover hatte damals im British-Leyland-Konzern nicht seine beste Phase. Gefühlt wirkt der Range älter als der E-Type. Aber so ist das Credo von Jaguar Land Rover: Original-Spezifikation, im Fall des beschriebenen Range Rover die von 1978. Zufällig übrigens mein Baujahr. Und ich bin auch nicht perfekt. Mütter wissen das am Besten.
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