BMW-Klangmeister: „Der Sound ist die Stimme des Autos“
Diese Job–Beschreibung hat Neuigkeitswert in der Autoindustrie. Renzo Vitale ist bei BMW der Mann für „Electric Sound Design“ und damit zuständig für die Fahrgeräusche aller künftigen Elektro-Autos des Konzerns.
Von Mini bis Rolls-Royce
Spezialisten, die sich mit dem Feintuning von Motorgeräuschen beschäftigt haben, hat es bei Autoherstellern auch bisher schon gegeben. Dabei ging es vor allem darum, mit den beim Verbrennungsprozess entstehenden tiefen Frequenzen umzugehen und diese großteils durch mechanische Maßnahmen so zu modulieren, dass sie bei den Kunden als möglichst positiv besetzter Motor-Sound ankommen.
Wird der Verbrenner aber durch einen Elektromotor ersetzt, muss man plötzlich mit hohen Frequenzen umgehen. Ein vollkommen neues Feld für die Spezialisten der NVH-Abteilungen (steht in der Fachsprache für „Noise, Vibration, Harshness“, also den Umgang mit allen Geräuschquellen). Diese hohen Töne möglichst gut zu überlagern – und damit bei einem Elektroauto das bekannte Straßenbahn- bzw. E-Lok-Geräusch zu vermeiden – ist nun zum Job von Electric Sound Designern wie Renzo Vitale geworden.
Der studierte Akustik-Ingenieur hat in Konzertsaal-Akustik promoviert und ist als professioneller Musiker auch Botschafter des Klavierherstellers Steinway.
Für BMW kreiert er sowohl die im Passagierraum zu hörenden Fahrgeräusche künftiger E-Autos, als auch das gesetzlich vorgeschriebene Außengeräusch bei Langsamfahrt, mit dem Fußgänger gewarnt werden sollen. Für beide Felder gilt für Vitale der Leitsatz: „Der Sound ist die Stimme des Autos.“
Vor allem bei dem, was man im Cockpit hören soll, sind der Kreativität an sich keine Grenzen gesetzt. Die Töne müssen ohnehin unabhängig vom eigentlichen Geräusch des Motors künstlich erzeugt werden.
Als Modell dafür, wie künftige Elektro-BMW klingen werden, gilt der von Renzo Vitale geschaffene Sound der kürzlich vorgestellten Studie BMW i4. Vitale: „Im normalen Fahrmodus ist das Geräusch leicht und transparent. Wird der Sport-Modus gewählt, kommen neue Elemente hinzu. Das Fundament ist tiefer und es gibt Impuls-Fragmente, die sich je nach der gefahrenen Geschwindigkeit ausbreiten.“ (Hörprobe für den BMW i4: https://motor.at/e-mobility/so-aehnlich-soll-der-kommende-bmw-i4-klingen/400773854)
Grundsätzlich eröffnet sich hier ein weites Feld für mögliche Personalisierungen. In Zukunft sei es sicher möglich, den Kunden unterschiedliche Sounds zur Wahl anzubieten, bestätigt Vitale. Allerdings mit der Einschränkung, dass „ein stimmiges Erlebnis wichtig ist. Nicht jeder irgendwie mögliche Sound ist da einsetzbar“, bremst Vitale allzu wilde Fantasien potenzieller Kunden.
Einen künftigen Elektro-BMW durch elektronisches Sounddesign wie einen alten M3 klingen zu lassen, sieht er eher nicht als Zielsetzung.
Abgesehen von der möglichen Personalisierung soll aber natürlich auch jede Marke ihren charakteristischen Ton erhalten. Vitale: „Der Sound von Mini etwa muss die Geschichte der Marke widerspiegeln.“ Zu dessen Beschreibung fallen ihm Vokabel wie „leuchtend“ und „glänzend“ für den Leerlauf ein. Sobald beschleunigt wird, sollte sich dann auch akustisch das markentypische Gokart-Gefühl einstellen.
Darüber, wie im Unterschied dazu ein elektrischer Rolls-Royce klingen soll, lässt sich Vitale noch nicht viel entlocken: „Daran wird gearbeitet, aber da haben wir noch etwas Zeit dafür.“
Soll etwa bei BMW das Innengeräusch pro Modell durchaus variiert werden, so wird das Außengeräusch pro Marke einheitlich sein. Hier muss man sich innerhalb der gesetzlichen Vorgaben bewegen. Die schreiben etwa vor, dass sich die Grundfrequenz mit der Geschwindigkeit verändern muss, damit etwa auch Blinde erkennen können, dass es sich um ein fahrendes Auto handelt.
Neben den Schwierigkeiten, mit einem einheitlichen Sounddesign die in Europa, USA und Asien divergierenden gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen und dabei auch die gesamte Modellfamilie einer Marke abzudecken, verweist Vitale auf ein Problemfeld, an das akustische Laien eher nicht denken würden: „Das Außengeräusch klingt bei tiefen Temperaturen anders, als bei hohen. Es muss aber im Serienauto beim Einsatz am Polarkreis genauso innerhalb der Vorgaben bleiben, wie in den Tropen.“
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