1600 GT: Der BMW, der eigentlich keiner war
Viele Autokonzerne haben Stiefkinder in ihrem Portfolio: Marken, die durch Zukäufe in den Besitz kamen, aber längst erloschen sind. So auch BMW: Ende der 1960er-Jahre übernahm man die Firma Glas im niederbayerischen Dingolfing. Glas hatte sich vom Landmaschinenhersteller zum Autoproduzenten entwickelten und 1955 mit dem Goggomobil einen ganz großen Wurf gelandet. Innerhalb von nicht einmal 15 Jahren wuchs das Modellangebot fast ausufernd und ziemlich unwirtschaftlich an, Höhepunkt war ein Sportwagen mit V8.
Als Glas in die Krise rutschte, griff BMW zu. Unterstützung kam vom Freistaat Bayern, der das Gespenst von Arbeitslosigkeit in einer eher ländlichen Region an die Wand malte. Für BMW, damals im Aufstieg begriffen, war Glas ein Glücksgriff: Relativ nahe an München, viele Fachkräfte und große Flächen für ein neues Werk, in dem seit 1972 die 5er-Reihe gebaut wird. Einige Glas-Fahrzeuge wurden vor dem Ende als eigenständiger Autohersteller noch als BMW inklusive Niere verkauft, darunter die GT-Baureihe. Ein Unikat haben jetzt Auszubildende in Dingolfing restauriert.
In einem mehrjährigen Projekt restaurierten die Nachwuchskräfte unter Anleitung ihrer Ausbilder ein BMW 1600 GT Cabriolet. Der silberfarben lackierte Viersitzer trägt ein rotes Verdeck.
Bei dem jetzt in neuem Glanz erstrahlenden Klassiker handelt es sich um den einzig erhaltenen von ursprünglich zwei Prototypen, die einst von dem italienischen Karosseriedesigner Pietro Frua im Auftrag von BMW gestaltet worden waren. Beide verließen im Herbst des Jahres 1967 erstmals die Werkshallen in Dingolfing. Für eines der Fahrzeuge endeten die Testfahrten mit einem Unfall und der anschließenden Verschrottung. Dem zweiten wurde eine besondere Ehre zuteil. Das BMW 1600 GT Cabriolet wurde dem damaligen Großaktionär der BMW AG, Herbert Quandt, übergeben. Es blieb über viele Jahre in Familienbesitz und erfreute später noch weitere private Eigentümer. Ein Mannequin aus München ließ sich im offenen BMW den Wind durch die Haare wehen, anschließend gelangte die Rarität in die Hände eines Kaufmanns aus Fürth, bevor sie schließlich im Münchner Allianz Zentrum für Technik eine neue Heimat fand.
Dort wurden erstmals größere Restaurierungsarbeiten am BMW 1600 GT Cabriolet vorgenommen, um seine dauerhafte Erhaltung zu gewährleisten. Als die Experten der BMW Group Classic auf das Einzelstück aus Dingolfing aufmerksam wurden und es ihnen gelang, eine Übernahme zu vereinbaren, reifte umgehend der Plan, das BMW 1600 GT Cabriolet genau dort wieder in seinen Originalzustand zurückzuversetzen, wo es schon einmal das Licht der Welt erblickt hatte.
Glas hatte 1964 das von Frua gestaltete, sportlich-elegante Coupé 1300 GT und ein Jahr später den stärkeren 1700 GT auf den Markt gebracht. In dreieinhalb Jahren entstanden insgesamt 6572 Coupés und Cabriolets, heute werden diese Fahrzeuge relativ teuer gehandelt. Auf der Suche nach einem starken Partner vereinbarte Glas mit BMW zunächst eine Vertriebsgemeinschaft, die schließlich in die vollständige Übernahme durch das Münchner Unternehmen mündete. Die kompakten Sportwagen erhielten daraufhin die Hinterachse, die Sitze und den 105 PS starken Motor des BMW 1600 TI, eine BMW-Niere für die Fahrzeugfront und die runden Heckleuchten des BMW 02.
Die Idee, dem sportlichen Coupé auch ein Cabriolet zur Seite zu stellen, entstand in den USA. Auf Anregung des Importeurs Max Hoffmann wurden eine neue Variante des Coupés mit einem Zweiliter-Motor sowie eine offene Version entwickelt. Bereits im Oktober 1967 lieferte Frua eine auf einer verstärkten Bodengruppe montierte Cabrio-Karosserie, die in Dingolfing lackiert und vollständig montiert wurde. Am 16. November wurde das BMW 1600 GT Cabriolet im Produktionsbuch des Werks als fertiggestellt eingetragen. Die Pläne zur Serienfertigung und zum Export in die USA wurden jedoch nicht realisiert.
Nur ein einziges Exemplar der italienisch-bayerischen Cabrios wurde jemals für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen.
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