Zukunft gestalten heißt Tabus brechen

In Österreich gibt es nur einen Konsens: Es darf sich nichts ändern. Aber alles soll besser werden.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Darf sich jemand, der sich langsam dem gesetzlichen Pensionsalter nähert, nach dem Urlaub auf seine Arbeit freuen? Oder muss er an das Nationalgefühl der „verdienten Pension“ glauben,weil er ja „so lange eingezahlt hat“? Man kann sich dem Thema mit kalten Zahlen nähern. Danach steigt unsere Lebenserwartung, während die Menschen kaum später in Pension gehen. Nach der jüngsten Statistik beziehen Frauen in Österreich im Schnitt etwas über 25 Jahre Ruhegeld, Männer rund 21 Jahre. Der Zuschuss des Staates muss also steigen. Aber ist die frühe Pension wirklich so erstrebenswert? Wer 40 Jahre lang Straßen asphaltiert oder Ziegel gemauert hat, musste körperlich alles geben. Aber warum gehen 65-Jährige bewährte Richterinnen und Richter in Pension, wenn diese dringend gebraucht werden? Das gilt auch für andere Berufe, wo Erfahrung wertvoll ist. Warum reden wir nicht über Teilzeitmodelle, durchaus mit entsprechenden Zuschlägen?

Die Regierung hat sich bisher geweigert, über eine Reform des Pensionssystem zu reden. 2,3 Millionen Pensionisten machen offenbar Angst. Dabei würde es diese ohnehin nicht treffen, aber Angst ist oft irrational. Durchaus vernünftig hingegen ist es, wenn Finanzminister Hartwig Löger die „betriebliche und private Vorsorge stimulieren“ will, wie er in einem Gespräch mit dem KURIER gesagt hat. Dem ehemaligen Versicherungsmanager vorzuwerfen, er wolle nur seine Branche fördern, ist tiefstes innenpolitisches Niveau, das nur sinnvolle Debatten verhindert.

Die Politik blickt immer nur rückwärts

Löger müsste aber auch eine andere Diskussion anstoßen. In der sich so rapid verändernden Arbeitswelt ist der Satz: „Wir wollen keine neuen Steuern“ eine die Zukunft negierende Resignation. Wie Amazon und Co richtig besteuert werden sollen, muss natürlich auf EU-Ebene entschieden werden, und zwar schnell. Dann muss der Verbrauch von Ressourcen steuerlich bestraft werden und schließlich geht es auch um Erbschaften und Vermögen. Der Satz „Erben ist keine Leistung“ kommt nicht von einem Linken, sondern von Erste-Chef Andreas Treichl, früher auch ÖVP-Finanzreferent. Treichl geht es darum, den Jungen die Bildung von Vermögen zu ermöglichen, also weniger Steuern auf Einkommen, höhere fürs Erben.

Vieles in der österreichischen Politik ist rückwärtsgewandt. Das gilt auch für unser Bildungssystem. Markus Hengstschläger hat schon vor Jahren im Buch „Die Durchschnittsfalle“ gefordert, die Talente der Kinder mehr zu fördern. Niemand weiß, welche Fähigkeiten in der Arbeitswelt des Jahres 2050 erforderlich sein werden. Die vier Cs werden aber nutzen: Creativity, Critical thinking, Communication, Collaboration. Lehren das unsere Schulen???

„Zukunftsfit“ war ein Schlagwort im Wahlkampf, in all diesen Bereichen sind wir weit davon entfernt.

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