Weltleiden unter dem Megafon

Weltleiden unter dem Megafon
Die Diplomatie ist in den Hintergrund gerückt – nicht nur in der Weltpolitik. Auch die Gesellschaft hat den Dialog verlernt. Ein Zufall?
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Wenn Krieg die bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, wie der preußische Generalmajor von Clausewitz so häufig zitiert wird, dann hat im Umkehrschluss die Politik respektive die Diplomatie im Kriegsfall versagt. Auch wenn im aktuellen Kriegsfall höchst ungewiss ist, ob ein Mehr an Diplomatie Wladimir Putin von seinem lange geplanten Kriegsverbrechen in der Ukraine abbringen hätte können; und ob nun ausgeschickte Botschaften über eine angebliche „Verhandlungsbereitschaft“ Moskaus nicht bloß die Finte eines notorischen Lügners sind.

Gewiss ist hingegen, dass Wolfgang Ischinger mit seiner These recht hat: Wir leben in einer Zeit, in der die hohe Kunst der Diplomatie in den Hintergrund getreten ist. Der brillante Analytiker und frühere Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz bemängelt, dass zu wenig auf das Geschick und Wissen von Botschaftern und geschulten Verhandlern zurückgegriffen werde. Stattdessen übernehmen Staatenlenker selbst die vermeintliche Diplomatie, im Glauben, es ohnehin besser zu können – und richten einander nächste Schritte ebenso wie Einschätzungen „mit dem Megafon“ aus. Sie schreien einander gewissermaßen an.

Kommentare