Der erste: Es ist genau nicht so, dass die arbeitenden Menschen am Land kein Problem damit haben, wenn Kindergärten am Nachmittag früh schließen und viele, viele Wochen im Jahr überhaupt nicht geöffnet sind. Das Gegenteil ist der Fall. Oder, wie Mahrer sagt: „Wo es ein Angebot gibt, dort wird es angenommen.“
Die zweite, wichtige Grundannahme: Kinderbetreuung ist keine Ausgabe, die man sich als Gesellschaft „leider leisten muss“, nein: Sie ist eine Investition, die sich finanziell extrem rechnet. Weil eine hochwertige Kinderbetreuung die Entwicklung der Kinder fördert; weil sie Stress von den Eltern nimmt, mehr Vollzeit-Jobs ermöglicht, die Wirtschaftsleistung steigert und Wohlstand sichert. Und das sind keine vagen Annahmen, sondern ist eine volkswirtschaftliche Rechnung, bei der sich die Experten von Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung, ÖGB und Arbeiterkammer ausnahmsweise ziemlich einig sind.
Wie also geht’s weiter? Das Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen ist diesbezüglich keine Hilfe. Da steht zwar, dass das Angebot der „flächendeckenden und bedarfsgerechten Kinderbetreuung“ ausgebaut werden soll. Verbindlicher wird’s bis 2024 aber nicht.
Warum nicht mehr Mut? Warum werden die laufenden Verhandlungen über das Geldverteilen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden – der Finanzausgleich – nicht unter das Generalthema der hochwertigen Kinderbetreuung gestellt?
Es ist ziemlich genau zehn Jahre her, da „verstieg“ sich ein ÖVP-Chef zu der Forderung, er wolle Österreich zum „kinderfreundlichsten Land Europas“ machen. Michael Spindelegger war kein Erfolg beschieden, nur ein Jahr nach dieser Ansage scheiterte er als Politiker. Aber der Reiz der Vision ist bis heute ungebrochen. Man stelle sich vor, Eltern müssten sich nicht die geringsten Sorgen machen, ob ihr Kind einen Platz im Kindergarten, Hort oder in einer Krippe bekommt. Man stelle sich vor, für alle Familien wäre jede Art der Tagesbetreuung nicht nur möglich, sondern gut leistbar – oder gar gratis. Was wäre wohl, wenn all das in Österreich einfach „normal“ wäre?
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