Von Stürmern und Klebern

Vorbild für Bolsonaro-Anhänger: Der Sturm aufs Kapitol vor zwei Jahren
Insitutionen, Rechtsstaat, Demokratie - zunehmend keine Kategorie mehr. Es zählt nur noch die Selbstgefälligkeit der eigenen Unfehlbarkeit.
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

 

Es ist kein Zufall, dass sich die erste Erstürmung eines Parlaments seit der „Schande vom Kapitol“ in Washington nun in Brasilien zutrug: Der abgewählte Präsident Jair Bolsonaro war ein glühender Anhänger Donald Trumps. Er hat im Wahlkampf mehrfach getönt, so wie der frühere US-Präsident eine Abwahl nicht anerkennen zu wollen. Da kann Bolsonaro im Exil in Florida den Sturm auf die Institutionen in Brasilia verurteilen, wie er will: Er hat die Saat dafür gelegt.

Und es ist kein Zufall, dass der Sturm aufs Heiligste der amerikanischen Demokratie fast genau zwei Jahre davor von so vielen Amerikanern und Trump-Anhängern heute noch als lässliche Sünde gewertet wird – wenn nicht gar als legitimer Aufstand gegen die Anderen. „Die Anderen“, diese Saat hat der mittelmäßige Schauspieler im Weißen Haus gelegt: Das Establishment in Washington war sein erklärtes Feindbild. Der Sprung vom Feindbild Establishment zum Feindbild Institutionen und von dort weiter zum Feindbild Demokratie ist nur ein kleiner Hupfer.

Demokratische Entscheidungsprozesse bzw. ihre Ergebnisse werden zunehmend nicht anerkannt (Lichtermeere oder Wahlanfechtungen sind noch die legitimen Mittel); Institutionen werden nicht in Frage gestellt, sondern ignoriert (auch von staatlichen Organen, wenn sie Höchstgerichtsentscheide bagatellisieren); rechtsstaatliche Normen werden über den Haufen gelaufen, im (Corona-) Widerstand plattgetreten oder klimageklebt (mit rechtswidrigen Mitteln). Neues Selbstbewusstsein? Oder eher zunehmende Selbstgefälligkeit ob der eigenen Unfehlbarkeit. Sie zu leben, gegen „den Staat“, heiligt scheinbar alle Mittel – wer wollte einem da drein reden?

Der Populismus eines Donald Trump und seiner Epigonen bis zu unseren Rechtspopulisten, die Rhetorik gegen die Institutionen haben diese Entwicklung geschürt. Die Populisten haben mit Manchem inhaltlich auch recht? Mag sein. Mit ihrem Generalangriff auf unser gesellschaftliches Grundgerüst haben sie aber alles Recht verspielt.

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