Verschlafen mitten im 21. Jahrhundert

Verschlafen mitten im 21. Jahrhundert
Die KI-Revolution ist da – ob wir wollen oder nicht. Das kann man als Chance oder Gefahr sehen – aber „Kopf in den Sand“ wird nicht klappen.
Bernhard Gaul

Bernhard Gaul

Vor vier Monaten hat ein US-Unternehmen eine neue Internetseite mit einem Chatbot freigeschaltet, der auf künstlicher Intelligenz (KI) basiert.

Das ist ein Computerprogramm, mit dem man sich auf Textebene unterhalten kann und das allerlei Fragen beantwortet.

Die Macher dachten anfangs nicht, dass es besonders viel Nachfrage nach ihrem Produkt geben wird. 100 Millionen Anwender später ist klar, dass mit diesem, ChatGPT genannten, Programm die nächste große digitale Revolution eingeläutet ist: Die KI kann erstmals mit uns scheinbar sinnerfassend kommunizieren.

Scheinbar deshalb, weil das Programm auf der Verarbeitung von Sprachmustern und Wahrscheinlichkeiten basiert und deshalb gar nicht „versteht“, was es sagt oder antwortet. Dennoch sind die allermeisten Antworten des Programms selbst bei komplexen Fragen erstaunlich bis atemraubend. Manche sind aber einfach nur dumm oder fehlerhaft.

Künstliche Intelligenz ist nichts grundsätzlich Neues, sie begleitet uns schon lange und meist unbemerkt, etwa in Form von „Empfehlungen“ beim Online-Shopping oder bei Sprachassistenten wie Alexa und Siri.

Mag sein, dass angesagte Revolutionen oft nicht stattfinden – diese findet garantiert statt. Die Schulen sind schon mittendrin im Trubel der KI, die den ganzen Bildungsapparat vor ganz neue Herausforderungen stellt – ChatGPT hat fast alle Maturaaufgaben „befriedigend“ gelöst. Der absehbare Reflex, das alles zuerst einmal zu verbieten wie einst die Taschenrechner, ist programmiert, und genau das ist das Problem: Den Kopf in den Sand zu stecken, wird ganz sicher nicht klappen.

Es gibt kaum noch Bürojobs ohne Computer. Dennoch beschränken sich viele Schulen (bei Weitem nicht alle!) auf das Mindestmaß an PC-Integration, nämlich beim Fach „Digitale Bildung“, alles andere bleibt analog. Doch auch Bildungsminister Polaschek hat ganz richtig gesagt, dass wir diese „neue Technologien als Chance sehen und in den Unterricht integrieren“ müssen. Er gehe davon aus, dass sich durch die KI „unsere gesamte Lehr- und Lernkultur deutlich ändern wird“, es bleibe nur unklar, wie.

Verschlafen mitten im 21. Jahrhundert

Die Karwoche sollten (nicht nur) Pädagogen dazu nutzen, sich mit den neuen digitalen Werkzeugen vertraut zu machen.

Programme wie ChatGPT werden nämlich schnell dazu führen, fähige Pädagogen, die sich damit wieder auf Augenhöhe der Schüler bringen, von motivationslosen zu unterscheiden. Europa war immer stolz auf sein enormes kreatives Potenzial.

Es ist gefährlich, zu glauben, wir dürfen die nächste Tech-Revolution ruhig verschlafen.

Genau das ist einer der Gründe, warum diese KI-Firmen nicht aus Österreich und auch nicht aus Europa kommen. Der alte Kontinent sieht da beängstigend alt aus.

Kommentare