Unireform 2020 – die vertane Chance

Unireform 2020 – die vertane Chance
Die Unis werden sozial selektiver und Stipendienwesen sowie Kontrollmöglichkeiten bleiben ohne wirksame Reformen

Inmitten der Corona-Pandemie wird ein Universitätsreform-Gesetz – ohne nennenswerte Einbindung der Opposition – durchgepeitscht, das dem effektiv bestehenden Reformbedarf nicht im Mindesten gerecht wird. Worin liegt der Sinn der Vorschreibung einer Mindeststudienleistung von 24 ECTS-Punkten – verbunden mit einer drakonischen Sanktion in der Form einer 10-Jahres-Sperre?

Die Zahl der ziel- und planlos Dahinstudierenden, die dieses gesetzlichen Winks mit dem Zaunpfahl bedürften, um endlich vernunftorientiert die eigene Zukunft zu planen, dürfte wohl verschwindend gering sein. Zum Handkuss kommen insbesondere Studierende in schwierigen persönlichen, finanziellen, familiären Situationen. Ob die Verbesserungen in den Statistiken, die Arbeit an der „Optik“, diese sozialen Kosten, bei gleichzeitig kaum nennenswerten Ersparnissen für das Hochschulbudget, rechtfertigen, sollte wirklich ernsthaft überdacht werden.

Dabei gäbe es weit wirksamere Maßnahmen, die Studieneffizienz zu steigern: Beispielsweise müsste das gesamte Stipendienwesen überarbeitet werden, das nicht nur große Teile des Mittelstandes unberücksichtigt lässt, sondern Leistung und Einsatz kaum honoriert. Wie wäre es mit einkommensunabhängigen Leistungsstipendien? Viele Studierende würden gerne vollen Einsatz an der Universität leisten, wenn sie die nötigen Existenzmittel hätten.

Die Reform der „Universitäts-Governance“ mit einer partiellen Entmachtung des Senats und einer Stärkung des Universitätsrats ist – anders als nun vielfach behauptet – kein „Demokratieabbau“, denn von universitärer Demokratie und Mitbestimmung ist seit Einführung des UG 2002 ohnehin kaum mehr etwas vorhanden.

Es handelt sich vielmehr um einen verzweifelten Versuch, ein auch den dominanten Kräften entglittenes Modell irgendwie abzustützen. Die Allmacht der Rektoren, die sich – wenn sie es geschickt anstellen – praktisch ad perpetuum verstetigen lassen können, haben so auch die Urheber des UG 2002 nicht vorausgesehen. Nun soll zumindest bei der ersten Wiederwahl des Rektors der Universitätsrat an seine Verantwortung erinnert werden.

Problematisch bleibt aber weiter das völlige Fehlen gerichtlicher und aufsichtsrechtlicher Kontrolle bei Rechtsbrüchen in universitären Berufungsverfahren – in klarer Missachtung EU-rechtlicher Vorgaben (Art. 47 Grundrechte-Charta). International führt dieser eklatante Verstoß gegen EU-Recht zu Verwunderung und klarer Kritik (siehe EuZW 11/2020, 469, N@HZ 4/2020, F&L 10/2020).

Doch wen interessiert in Österreich EU-Recht? Wo ist hier die österreichische Hochschulwissenschaft? Diese Reform ist somit weitgehend überflüssig, zum Teil schädlich. Dass mit dem UG 2002 ein Irrweg beschritten wurde, scheint punktuell erahnt zu werden – von einer echten Korrektur ist aber wenig zu sehen.

Angesetzt wird dort, wo am wenigsten Widerstand zu erwarten ist, bei den Studierenden. Die Universitäten werden sozial selektiver, aber nicht besser werden, auch wenn ein paar Zahlen in einer Statistik als Erfolg verkauft werden sollten.

Peter Hilpold lehrt Europarecht und Völkerrecht an der Universität Innsbruck.

Kommentare