Teichtmeister-Galgen, Koranverbrennung, Klimakleben: Was darf Protest?

Ein Galgen mit der Aufschrift „TEICHMEISTER JUSTIZ POLI“ steht vor einem Gebäude.
Die freie Meinungsäußerung gilt als eines der höchsten Güter der Demokratie - und hat dennoch Grenzen
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Das Urteil im Fall Florian Teichtmeister ist gesprochen. Das der sogenannten veröffentlichten Meinung und des Volksmundes war es schon lange vorher – und manifestierte sich in Form eines Galgens, aufgebaut vor dem Wiener Landesgericht. Motto, nach einem alten Western-Klassiker: „Hängt ihn höher“. Und weil das Schöffenurteil für seinen Geschmack zu mild ausfiel, schoss der Wiener FPÖ-Chef gleich nach: Die Justiz habe versagt, da „braucht man sich in Zukunft über Selbstjustiz nicht wundern“ …

In Schweden verbrennt Salwan Momika, geflüchteteter irakischer Christ, alle paar Tage einen Koran, und zwar „solange, bis er verboten ist“. Letzteres wird nicht passieren, ein bisschen islamistischer Rache-Terror (und doch noch ein türkisches Njet zum schwedischen NATO-Beitritt) schon eher.

In Wien sind die Klimakleber aus den Österreich-Tourneeferien zurück und vermasseln Taferlklasslern den rechtzeitigen Schulstart, anderen Arzt- und andere Termine mit dem Ziel, einen Autobahn-100er und einiges gegen das „System“ durchzukleben/boxen.

Und allen drei Beispielen ist die eine Frage gemein: Was darf Protest?

Die Meinungsfreiheit gilt als eines der höchsten Güter der Aufklärung und Demokratie. Dennoch hat auch sie Grenzen – „Ich bin der Meinung, der Kickl ist ein Vollidiot“ wird zum Beispiel nicht als Meinungsäußerung durchgehen, sondern als Beleidigung den Richter das Kappl aufsetzen lassen.

Ja, man darf die Todesstrafe fordern, auch wenn die Verfassung sie verbietet (man darf auch die Verfassung bzw. VfGH-Erkenntnisse kritisieren); aber ein Galgen als Zielwunsch für eine Person sprengt mehr als nur die Grenzen des guten Geschmacks.

Ja, man kann über Religionen geteilter Meinung sein, vor allem der islamischen schädlichen Einfluss auf die Gesellschaft zusprechen; aber religiöse Symbole sind aus vielen Gründen sakrosankt, ihre Schändung (ja, vielleicht waren auch die Mohammed-Karikaturen eine solche) ist, geltende Meinungsfreiheit hin oder her, mittelalterlich.

Ja, man kann für die Rettung der Welt demonstrieren, aber die Meinungsäußerung Demonstration ist an Gesetze gebunden (angemeldete Versammlungenetc.). Und komme niemand mit dem Beispiel der Suffragetten, die mit zertrümmerten Auslagenscheiben letztlich das Frauenwahlrecht durchsetzten: Der mögliche Erfolg, den anarchistische Aktionen zeitigen, rechtfertigt nicht die Anarchie; so wie hehre Ziele, die der eine oder anderer Terror vielleicht verfolgt, Terrorismus nicht legitimieren. Und wer bestimmt, welches Ziel hehr ist und welches nicht?

Eine Welt, in der sich jeder seine Gesetze selbst macht und über die Justiz und die Grenzen des Zusammenlebens stellt, ist keine freie. Da braucht man sich in Zukunft, um mit Dominik Nepp zu sprechen, über einen Zusammenbruch unserer Gesellschaftsordnung nicht wundern.

Porträt eines Mannes mit Brille und blauem Sakko vor dem Schriftzug „Kurier Kommentar“.

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