Stillstand für den Koalitionsfrieden

Ein Mann spricht bei einer Pressekonferenz über digitale Kompetenzen.
Dass die geplante Arbeitsmarktreform von Minister Martin Kocher gescheitert ist, darüber will in der türkis-grünen Regierung niemand mehr reden. Leider.
Martin Gebhart

Martin Gebhart

Dass Wirtschaftsminister Martin Kocher mit seiner geplanten Arbeitsmarktreform am Regierungspartner gescheitert ist, wirft einen dunklen Schatten auf die türkis-grüne Koalition. Es widerlegt alle Beteuerungen, dass man bei wichtigen Themen auf Konsens aus ist. Wann, wenn nicht jetzt, ist der Arbeitsmarkt ein zentrales Anliegen? In einer Zeit, in der der Arbeitskräftemangel in fast allen Branchen Unternehmen lahmlegt. Da ein brennendes Thema einfach zu begraben, weil man ideologisch zu weit auseinander ist, grenzt an Arbeitsverweigerung.

Es sind zwei Punkte, bei denen sich ÖVP und Grüne nicht einigen konnten. Einerseits beim degressiven Arbeitslosengeld. Da wollte Kocher in Zukunft in den ersten drei Monaten der Arbeitssuche mehr als bisher auszahlen, danach wäre das monatliche Arbeitslosengeld allerdings deutlich gesunken. Zweitens die Zuverdienstgrenze. Da drängt die Wirtschaft auf rigorose Maßnahmen, damit Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe plus eine geringfügige Beschäftigung (vielleicht auch noch etwas Schwarzarbeit) nicht lohnender sein kann als ein reguläres Arbeitsverhältnis. Eine Kombination, die die Grünen nicht als ein Problem sehen wollen.

Gescheitert an Zuverdienstgrenze

Wie aus Verhandlerkreisen zu hören war, hätte die Wirtschaft letztendlich auf das degressive Arbeitslosengeld verzichtet. Gescheitert ist die Reform dennoch, und zwar an der Zuverdienstgrenze, wo kein gemeinsamer Nenner gefunden werden konnte. Jetzt muss natürlich gesagt werden, dass es da kein Schwarz-Weiß gibt. Das Arbeitsmarktservice hat eine Auswertung, die die Befürchtungen der Wirtschaft bestätigt. Im Altersfeld zwischen 25 und 50 Jahren gibt es besonders viele Männer, die in Arbeitslosigkeit verharren, weil sie mit dem Zuverdienst das Auslangen finden. Auf der anderen Seite gibt es Arbeitssuchende – meist sind es Frauen –, die ohne eine geringfügige Zusatzbeschäftigung unter die Armutsgrenze rutschen würden. Zusätzlich sind da noch die Nebenerwerbsbauern, die ihre Höfe aufgeben müssten, falls Arbeitslosigkeit nur noch ohne Zuverdienst möglich ist.

Eine so komplexe Ausgangslage erfordert natürlich viel Detailarbeit. Und vor allem den Willen zu einem Kompromiss, selbst wenn dafür ideologische Hürden übersprungen werden müssen. Was die Wirtschaft ja auch getan hat, als die CO2-Bepreisung beschlossen worden ist. Jetzt hat man sich den einfachsten Weg ausgesucht und die Arbeitsmarktreform einfach abgesagt. Wenn das die Strategie ist, um sich ohne zu große innerkoalitionäre Differenzen in das Wahljahr 2024 zu retten, dann werden noch einige Vorhaben – Informationsfreiheitsgesetz, Antikorruptionsgesetz, Klimaschutzgesetz – auf der Strecke bleiben.

Porträt eines Mannes mit Brille vor dem Hintergrund „Kurier Kommentar“.

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