Rote Geburtsschmerzen

SPÖ-Vorsitz: Kandidaten Babler, Doskozil und Rendi-Wagner.
Taumelt die SPÖ in einen endlosen Machtkampf? Dies ganz auszuschließen wäre naiv.
Christian Böhmer

Christian Böhmer

Michael Häupl sieht keinen Grund, „Pam“ Rendi-Wagner nicht zu wählen; Ex-Staatssekretär Peter Wittmann wiederum ist fix im Team Doskozil; und die erste Chefin der Sozialistischen Jugend, Julia Herr, wird sicher für Andreas Babler votieren: Seit Tagen positionieren sich prominente Genossinnen und Genossen für die parteiinterne Mitgliederbefragung; am Wochenende versuchte eine Umfrage sogar, deren Ausgang zu prognostizieren.

Doch es kann nicht oft genug betont werden: Die SPÖ durchlebt gerade einen historisch einmaligen Vorgang. Und wer vollmundig verlautbart, er wisse, wie dieser ausgeht, ist ein Scharlatan.

In Ermangelung an belastbaren Vergleichswerten lässt sich nicht einmal erahnen, wie sich die rund 148.000 stimmberechtigten Mitglieder entscheiden.

Absehbar ist nur, welche Fragen eine Rolle spielen werden, ja müssen.

Da ist zum einen die  von Außenstehenden oft unterschätzte  „Wahlkampf-Frage“, also vereinfacht: Wem traut man als Funktionär realistisch zu, für die SPÖ die nächste Nationalratswahl zu gewinnen – oder zumindest das beste Ergebnis herauszuholen? Emotional belastend ist für g’standene Rote die Frage, ob, und wenn ja, wie übel man es den Herausforderern nimmt, eine gewählte Vorsitzende  öffentlich zur Debatte gestellt und damit unsolidarisch  beschädigt zu haben.

Die für die Sozialdemokratie entscheidende Frage stellt sich – bemerkenswerterweise – erst nach der Befragung, nämlich: Wie tun wir jetzt weiter?

Denn für einen Sieg von  Babler oder Rendi-Wagner gilt dasselbe, wie für  Herrn Doskozil: Gegen das jeweils andere Lager ist ein Burgfriede kaum vorstellbar. Insbesondere Eisenstadt und Wien müssen also eine neue Form des Miteinanders finden. Und das wird in Kenntnis der handelnden Personen wohl nur unter erheblichen Anstrengungen gelingen. Taumelt die SPÖ demnach in einen endlosen Machtkampf?

Dies ganz auszuschließen wäre naiv. Ebenso einfältig wäre es, die  sichtbaren Fortschritte zu verschweigen. Denn auch wenn Österreichs älteste Partei unvorbereitet und hoppertatschig in diese Befragung gestolpert ist – in einem Punkt sind sich alle   gerade wahlkämpfenden „Lager“ einig: Hinter den Status quo, dass nämlich die Parteimitglieder bei der Wahl des Vorsitzenden mehr und vor allem direkt mitbestimmen, wird man nicht wieder zurückgehen. Die SPÖ erleidet demnach einen Demokratisierungsschub. Dass die Geburtsschmerzen  viel größer sind als nötig, mag für die Betroffenen bitter sein. Einer Demokratie kann aber Schlimmeres passieren, als dass sich die zweitgrößte Parlamentspartei mehr Mitbestimmung verschreibt.

Porträt eines Mannes vor dem Hintergrund des „Kurier“-Logos.

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