PRO: Musik ist ein "Überlebensmittel"
Was ich davon halte, dass die Polizei das Lied spielt?
Diese Idee stammt nicht von mir, aber so wie ich es verstanden habe, möchte sich die Polizei mit diesem Lied bei der Bevölkerung dafür bedanken, dass sie sich an die jetzt notwendigen Regeln hält und zu Hause bleibt.
Mein Publikum hat dieses Lied zu dem ihren gemacht, „I Am From Austria“ gehört schon lange nicht mehr mir.Das Lied hat eine Eigendynamik entwickelt, die ich nie erwartet hätte. Der Text zu diesem Lied ist ja beinahe dreißig Jahre alt und ursprünglich in einem ganz anderen Zusammenhang entstanden.
Wenn ich es heute singe, dann tue ich das ausdrücklich für alle Menschen, die in unserem Österreich eine Heimat gefunden haben. Und wenn dieses Lied bewirkt, dass sich in der Krise alle miteinander verbunden fühlen, solidarisch handeln und sich den Mut bewahren, dann wird es auch so verstanden, wie ich es gemeint habe. Ich habe nie eine Hymne geplant. Aber jetzt möchte ich Mut machen in einer Situation, mit der wir nur schwer umgehen können.
Dabei dürfen wir auch nicht vergessen: Österreich ist nur ein Teil Europas, Europa ist ein Teil dieser Welt und diese heimtückische Krankheit ist nur global zu besiegen.
Musik ist, wenn man so will, ein Lebensmittel, manchmal sogar ein „Überlebensmittel“, weil sie Herzen verbinden und Brücken schlagen kann. Das ist besonders jetzt sehr wichtig.
Rainhard Fendrich hat mit „I Am From Austria“ im Jahr 1989 die inoffizielle Hymne geschrieben. Er selbst hat sich immer dagegen gewehrt, da es überaus kritisch mit dem Land ist.
CONTRA: Die Polizei als fahrender Ferienklub
Die Welt steht wirklich am Kopf. Bürger winken Polizisten zu. Ich kenn diese Geste nur umgekehrt. Vom Planquadrat. Die Exekutive beschallt also unsere Straßen mit „I Am From Austria“. Ich verstehe nicht ,warum. Viel passender wäre doch „Drah di ned um, der Kommissar geht um“. Es stellt sich überhaupt die Frage, ob die Polizei ein fahrender Ferienklub ist. Wohin führt das? Ertönen bald aus den Lautsprechern der Streifenwagen Quarantäne-Hits wie „Backe, Backe Kuchen“ oder „Meine Oma fährt im Wohnzimmer Motorrad“?
Die Playlist des Grauens enthält sicher auch an die Situation angepasste Weihnachtslieder. Beispielsweise „O Gartenzaun, wie schön bist du als Grenze“ oder „Last Christmas, I gave you my hand“. Ich habe Angst vor Gute-Laune-Polizisten, die aus ihren Streifenwagen aussteigen und den hinter den offenen Fenstern sitzenden Homeworkern entgegen schreien: „Seid ihr gut drauf? Ich kann euch nicht hören! Seid ihr gut drauf?“
Im freundlichsten Fall wird dem Polizisten dann ein „Hoid dein Schlapfen! So schee bist du ned!“ entgegen hallen. Ich finde, wir, die Isolierten, haben ein Recht auf Stille und die Vernunft braucht keine Bespaßung, sonst wäre es nicht die Vernunft.
Übrigens, vielleicht kennen Sie die großartige Cover Version der Fendrich-Hymne, und zwar „Baut´s a Freibad in Stinatz“ von Thomas Stipsits. Angeblich darf diese Version im Radio nicht gespielt werden, weil Schwimmbäder derzeit verboten sind. Das Bauen solcher sowie so. Vielleicht bedarf es eines weiteren Umschreiben. „Baut´s a Bodwonn in Stinatz“. Weil dort sitzt man meistens alleine drinnen.
Klaus Eckel ist mehrfach preisgekrönter Kabarettist und Buchautor.
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